Lieber Dinkhopf,
da ich genau das hinter mir habe, was du vor hast, möchte ich gerne auch ein paar Zeilen dazu schreiben.
Schon in der Schule wollte ich immer Brauer werden.
Mit ungefähr 16 Jahren und nach einigen Praktika in verschiedenen Brauereien habe ich selbst in Franken keinen Ausbildungsplatz bekommen.
Deswegen habe ich erst mal eine Lehre im Büro begonnen, die ich auch zu Ende gemacht habe.
Anschließend war es dann so weit, ich bin fündig geworden und durfte nun endlich meine Ausbildung als Brauer und Mälzer beginnen.
Die Brauerei war ein mittelständischer Betrieb mit einer Sudhausgröße von 50 hl, eigener Wirtschaft und Metzgerei. Quasi die fränkische Dreifaltigkeit

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Wenn ich die Zeit in einem Satz zusammen fassen müsste, dann würde das in etwa so klingen:
Die Vorstellung, Brauer zu sein, war viel schöner als es wirklich zu sein.
Ich möchte dir um Himmels Willen nicht deinen Traum madig machen, sondern diese Zeilen spiegeln nur meine persönliche Meinung und Erfahrung wieder.
Der Arbeitstag begann damit, die Kühlhäuser der Wirtschaft und dem Biergarten wieder neu zu bestücken. Je nach Gästeanzahl am Vortag waren das schon mal 30 bis 40 Kästen sowie ungefähr 10 bis 15 50er Fässer, die als Aufwärmübung am Morgen über den Hof geschleppt werden mussten.
Anschließend ging es ins Sudhaus. Maischepfanne mit Wasser füllen, PH Wert einstellen, hoch in den 2. Stock laufen und die Schrotmühle anschmeißen, wieder runter ins Sudhaus und mit dem Einmaischen beginnen.
Ab hier musste dann alles sehr schnell gehen. Mit gemütlich brauen war ehrlich gesagt nichts, ganz im Gegenteil.
Ab in den Lagerkeller, Tank sauber machen. Mit der kleinen Laterne sowie Wischer und Reinigungsmittel bewaffnet musste man nun in den Tank schlupfen. Schwindel vom verbleibenden Kohlendioxid inklusive, man hatte ja wenig Zeit...
Zwischendurch musste man natürlich immer wieder ins Sudhaus gehen um zu schauen, ob alles in Ordnung war.
Also Gummistiefel aus, andere Gummistiefel an. Von 0 Grad Raumtemperatur zu 28 Grad und wieder zurück. Mit nasser Kleidung versteht sich.
Als der Tank sauber war, ging es im Gärkeller weiter.
Es konnte geschlaucht werden. Hoch in den 4. Stock, Schlauch am Dampf anschließen. Wieder runter in den Lagerkeller, Schläuche unten an der Verrohrung dran machen und spülen. Wieder hoch in der 4. Stock usw...
In der Zwischenzeit natürlich immer wieder vor ins Sudhaus gegangen um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Dann wieder zurück zum schlauchen. Schlauchen beendet, also hoch in den 4. Stock, Schläuche spülen, anschließend wieder in den Keller. Da hier viel mit Gefälle gearbeitet wurde, musste ich die Treppen vom Keller bis in den 4. Stock bestimmt 20 mal gehen, bis das Schlauchen beendet sowie die Schläuche wieder gespült werden konnten.
Eimer für die Hefe penibelst sauber machen. Hefe ernten, Gärtank mit Wasser raus spritzen, Dampf anschließen, nochmal raus spritzen, Hefe wieder vorlegen und aufziehen. Ah genau, Sudhaus nicht vergessen. Abmaischen, mit dem Läutern beginnen, Würze vor dem Kochen und nach dem Kochen spindeln. Austrebern. Vorher noch 0 Grad, jetzt auf einmal 40 oder gar 50 Grad und die schweren Lochbleche im Läuterbottich mussten natürlich auch ausgebaut und sauber gemacht werden.
Den schweren Treber mit der Schaufel auf dem Anhänger verteilen. Davor noch den Hopfen abwiegen.
Lochbleche wieder verschrauben, nochmal raus spritzen. In der Zwischenzeit alle Leitungen zum kühlen vorbereiten, vorher natürlich ausdampfen.
Wieder hoch in den 3. Stock, mit dem kühlen beginnen. Wieder rüber ins Sudhaus und schauen ob die Kühltemperatur passt .
50 kg Malzsäcke ins Lager in den 2. Stock bringen, Ausschanktanks sauber machen, Durchlaufkühler spülen und was alles noch so anfiel, musste man irgendwie dazwischen unter kriegen. Der Geselle war den ganzen Tag mit füllen, filtrieren und planen beschäftigt, der Meister (Juniorchef) war Mädchen für alles und die zwei Hilfsarbeiter mussten überall mit anpacken. Entweder an der Flaschenwaschmaschine, Hof kehren, Fässer bekleben und stapeln etc.
Der Tag endete eigentlich immer mit dem gleichen Ritual. Die 3 LKWs mussten für den nächsten Tag beladen werden. Da mussten alle mit anpacken. Das heißt, vor dem Feierabend nochmal dutzende Kästen bewegt und auf den LKW geschlichtet. Anschließend endlich Feierabend
So sah ungefähr fast jeder Tag aus. Falls mal nicht gebraut wurde, musste man andere Dinge erledigen. Glaub mir, davon gibt es viele. Softgetränke zusammen mixen und füllen, CIP Lauge und Säure wechseln, Gär- und Lagerkeller raus schruppen usw.
Die Berufsschule war damals in Kulmbach, direkt neben der riesigen Kulmbacher Brauerei. Genau das Gegenteil von meiner Lehrbrauerei.
Alles Computergesteuert, die Brauer tragen keine Latzhose sondern weiße Kittel und sind Maschinenführer anstatt Brauer. Das krasse Gegenteil eben. Was aber beide Brauereien gemeinsam haben? Beide lassen nur wenig Platz zur persönlichen Entfaltung.
Seiner Kreativität freien Lauf lassen zu können ist meiner Meinung nach eine romantische Vorstellung, die sich in der Praxis nur schwer umsetzen lässt.
Die Rezepte sind vorgegeben, viele ältere Brauereien und Meister eingefahren. Wenn man nicht gerade der leitende Braumeister ist oder eben der Besitzer der Brauerei, lässt sich das mit der Kreativität nur ganz schwer vereinbaren. Natürlich gibt es bestimmt auch Ausnahmen (siehe Camba). Aber das findet man nur sehr selten.
Heute arbeite ich wieder im Büro und bereue es ehrlich gesagt überhaupt nicht.
Ich braue was ich will, braue wann ich will und bin mein eigener Herr. Meiner Kreativität kann ich absolut freien Lauf lassen.
Und wenn ich ehrlich bin, habe ich durchs heim brauen viel mehr vom Bier brauen gelernt als in der Brauerei. Dort habe ich einfach nur funktioniert, keine Zeit gehabt, manche Dinge zu hinterfragen. Die wurden so gemacht, weil sie so gemacht wurden. Der Drang, alles genauestens Wissen zu wollen, kam erst jetzt als Heimbrauer.
Wenn du mich fragst, ist es natürlich sehr hilfreich, wenn man das Ganze von der Pike auf gelernt hat. Aber deswegen machst du noch lange kein gutes Bier. Zum einen, weil du vielleicht nie die Chance bekommst, DEIN Bier zu machen, zum anderen, weil du immer nach dem gleichen Schema arbeitest, eben weil du es so gelernt hast.
Vielleicht klingt es etwas philosophisch, aber für mich ist Bier brauen auch Bauchgefühl, Erfindergeist und vor allem Leidenschaft und Hingabe. Genau das geht meiner Meinung nach eher verloren, wenn man davon abhängig ist bzw. seinen Lebensunterhalt damit verdienen muss.
Du fängst an mit Büchern von Hagen Rudolph oder Richard Lehrl, wühlst dich Stundenlang durchs Forum, deine Gedanken kreisen nur noch um deine zukünftige Brauanlage oder ein Rezept, dass du am liebsten sofort ausprobieren willst. Hast keine Ahnung wer dieser Tinseth ist und warum man auf „Maische Malz und Mehr“ den Hopfen nach ihm berechnet. Diacetyl ist dir völlig unbekannt, bis du deinen ersten untergärigen Sud probierst und das Wort „Popcorn“ in die Suchmaschine im „Hobbybrauerforum“ eingibst.
Du probierst aus, du willst mehr wissen. Wenn du deinen Browserverlauf studierst, springt er nur zwischen „Hobbybrauerforum“, „Hobbybrauerversand“, „Fabier“ und natürlich „Hobbybrauer-Kompendium“ sowie „Maische Malz und Mehr“ umher. Du willst es immer genauer wissen. Du bastelst, tüftelst, perfektionierst dein Arbeitsablauf, dein Wasser, dein Rezept, ja einfach alles. Du willst mehr wissen. Immer mehr. Bis du dich schließlich dem Narziss widmest. Irgendwann kommt der Tag, an dem du mit einem Braumeister fachsimpelst und der überhaupt nicht merkt, dass du „nur“ Hobbybrauer bist. Nun bist du im Olymp angekommen und du bist einfach nur verdammt stolz.
Damit will ich nicht sagen, dass man sich die Meisterschule sparen kann und auch nur annähernd so viel Wissen hat, wie ein ausgebildeter Braumeister. Aber, man kann durch viel Leidenschaft einiges aufholen…
Grüße,
Benni