
Vor einiger Zeit ist mir der Gedanke gekommen, irgendwann mal

Man hört überall und immer wieder, dass Stärke jedoch nicht ohne vorherige Verkleisterung enzymatisch angreifbar ist. Also sollte Mutter Natur auch dafür eine Lösung parat haben, denn kein Bauer gießt sein Gerstenfeld mit 65°C heißem Wasser, damit die Saat aufgeht.
Und wenn die Stärke in der freien Natur auch außerhalb des Temperaturoptimums der Enzyme (verkleistert ??? und) gespalten werden kann, dann müsste man eigentlich auch Würze bei Raumtemperatur herstellen können. Diese Würze würde vergärbare Zucker enthalten, die im Anschluss mit einer Hefe zu einem leckeren "Raumtemperaturbier" vergoren werden kann.
Soweit der verwegene Plan

Aufgeweckt wurde mein Vorhaben durch den Thread "Verkleisterungstemperatur 2018/2019".
Da man durch meine Edelstahlfermenter nicht durchschauen kann musste Fremdequipment in der passenden Größe für den Versuch her. Kai (Sura) hat dafür freundlicher Weise einen kleinen 4 Liter Fermonster gestiftet und der Versuch konnte starten.
Etwa 3 Liter Wasser und 800g geschtotetes Pale Ale Malz wurden in kaltem Leitungswasser eingemaischt. Um die ganz bösen Biester fernzuhalten wurde die Maische mit isomerisiertem Hopfenextrakt auf 25 IBU gebittert und der pH einige Stunden nach dem Einmaischen mit Phosphorsäure auf 5 eingestellt.
Bei rund 20°C, 25 IBU und dem abgesenkten pH Wert sollte es nicht mehr viel geben, dass meiner Maische an den Kragen will.
Wahrscheinlich größter Feind ist der böse Lactobacillus Brevis, der relativ hopfentolerant ist, Stärke mag und der gelegentlich auf der Oberfläche vom Malz zu finden ist.
Nach dem Einmaischen vor einer Woche sieht man eine weiße milchig-trübe Brühe. Nach dem Aufschwenken fallen Mehle und Grieße sehr schnell wieder nach unten zwischen die Malzkörner.
6 Tage später sieht es nach dem Aufschwenken der Maische schon anders aus. Die Maische ist noch immer milchig trüb, ist aber transparenter geworden (sieht man auf dem Foto kaum) und zwischen den Malzkörnern sind weder Mehl noch Grieße zu sehen.
Zwei Tage weiter ist keine unverkleisterte Stärke mehr zu sehen. Die milchige Trübung ist weg und die "Würze" ist braun. Irgendein Bösewicht gärt langsam vor sich hin und produziert CO2. Die Malzkörner steigen auf und sinken ab, wie in einer "lebenden Lavalampe".
Zeit für eine Jodprobe und eine Messung...
Die Würze ist nach 8 Tagen iodnormal. Fein, fein

Zeit die Hefe hinzuzugeben?
Leider ist der Extraktgehalt auch schon auf 0,7 %mas runter und das "Jungbier" schmeckt kräftig milchsauer. Böse Biester...

Zwischenergebnis:
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Runde 1 verloren. Gewinner sind Brevis & Konsorten, die meine Würze in ein alkoholfreies Sauerbier verwandelt haben.
Schmeckt übrigens gar nicht so schlecht und ich überlege es zu karbonisieren

Plan für Runde 2:
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Ich werde dem Brauwasser in Runde 2 gleich beim einmaischen einen Schluck Hefe beimischen. Die ist schneller als der Lactobacillus.
Sollten beim Kaltmaischen wirklich vergärbare Dextrine entstehen, dann müsste beim zweiten Durchlauf durch die Anwesenheit von Hefe zumindest ein leicht alkoholisches Sauerbier entstehen. Anderenfalls wird der Lactobacillus wieder nur eine Milchsäuregärung mit der vorhandenen Stärke machen.
To be continued ...