Liebe Hobbybrauer,
vielen Dank für die rege Beteiligung! Es sind insgesamt 101 Antworten eingegangen. Die 4 Gewinner der Gutscheine haben eine Mail bekommen. Bitte antwortet kurz darauf, damit ich weiß, dass die Postfächer existieren. Zwei haben das bereits getan. Die Spende ans Forum ist erfolgt.
Nun wie versprochen ein bisschen Hintergrund, für die, die es interessiert. Da zuletzt eine andere Arbeit von mir erwähnt wurde, fange ich dort an: In der Tat ist mit der Bearbeitung des erwähnten Beitrags (Beginn 2015) in etwa mein Interesse für den Themenkomplex entstanden. Anlass der damaligen Untersuchung war, dass meine demente Großmutter zunehmend von ihren Spaziergängen nicht zurückkehrte oder statt bei Verabredungen aufzutauchen, stundenlang unauffindbar war. Statt die wenigen, schlecht funktionierenden, grässlich unpraktischen und überteuerten, Lokalisierungslösungen auf dem damaligen Markt zu nutzen (von Heimunterbringung mal abgesehen), habe ich dann selbst angefangen amateurhaft zu basteln und mich vorwiegend in der Logistik, die ich aus Studium und Beruf schon kannte, inspirieren lassen. Hier waren Märkte und Technologien z. B. zur Ladungsüberwachung (Ort, Temperatur, Feuchtigkeit, Stöße, Umfallen usw.) schon viel etablierter. Mir fiel die enorm unterschiedliche Vermarktung von funktional gleichwertiger Technik im Logistik- und Demenzkrankenmarkt auf. Meine „Bastlerei“ mit Bauteilen aus anderen Anwendungsgebieten führte zu einer passenderen und günstigeren Lösung, als Angebote von Sanitätshäusern. Auch für dieses Hobby fand ich viele andere Enthusiasten. Heutzutage hat sich das Marktangebot u.a. dadurch auch schon stark verändert. Das Potential, das offensichtlich in dieser „Bastlerei“ steckt, aber u.a. durch unzureichende Vermarktung oft nicht ausgeschöpft wird, faszinierte mich.
Der Forschungszweig der „User Innovation“ beschäftigt sich seit einigen Jahrzenten mit solchen Phänomenen. Eine multimediale Einführung gibt es hier: "
You can Innovate - User Innovation"
In diesem Gebiet habe ich dann meine persönliche kleine Forschungslücke gesucht. Derzeit beschäftige ich mich mit der Preissetzung und Preiswahrnehmung solcher User Innovationen. Eine habe ich in der Umfrage skizziert, die ihr gesehen habt. In dem Fall ein Bier, welches es genauso noch nicht gibt und nicht all zu trivial herzustellen wäre. Meine Fragestellung beschäftigt sich nun nicht mit dem Bier, der Unternehmensgründung oder dem Brauen selbst, sondern mit der Wahrnehmung der zu erwartenden Qualität dieses hausgemachten Angebotes in Abhängigkeit vom gefragten Preis und ob eine InteressentIn selbst braut. Euch wurden zufällig verschiedene Preise für das sonst genau gleiche Angebot angezeigt. Anschließend wurde unter anderem eure Erwartung and die Qualität des Bieres abgefragt. Der Zusammenhang zwischen Preis und erwarteter Qualität ist dabei ein klassisches Phänomen. Kunden nehmen häufig an, dass teurere Produkte (bis zu einem gewissen Grad) auch höherwertiger sind, als günstige. Dass das nicht immer so ist, sieht man z.B. an umgelabelten Markenprodukten beim Discounter und wurde auch wissenschaftlich gezeigt. Meine Grundannahme für diese Untersuchung ist, dass andere Innovatoren die Qualität eines Angebotes weniger über das abstrakte Preiskriterium bewerten, als nicht-Innovatoren. Hinweise für die Existenz eines solchen Unterschiedes geben eine Reihe
psychologischer Phänomene. Dabei ist natürlich wichtig, dass sowohl Kenner als auch Laien das Produkt ähnlich gut, beziehungsweise schlecht, bewerten können. Das klappt am ehesten bei "Erfahrungsgütern". Hier lässt ein Label, mangels klarer Qualitätskriterien, bestenfalls unzuverlässige Rückschlüsse zu. Beliebt ist hier z.B. die erwartete Qualität von Weinen basierend auf deren Präsentation abzufragen.
Praktisch interessant wird das dann in Kombination mit anderen Untersuchungen, u.a. auch im Rahmen meiner Doktorarbeit. User Innovatoren setzen systematisch niedrigere Preise, als (kleine) Firmen. Die Qualität ist dabei häufig gleichwertig, manchmal sogar besser. „User“ haben exzellentes Wissen darüber, was Gleichgesinnte wirklich brauchen und nutzen Kenntnisse, die sie bereits gut beherrschen, um diesen Bedarf zu erfüllen. Sie „belohnen“ sich auch schon vor dem Verkauf oder Verbreitung z.B. durch Spaß an der Sache, Lernen, Anerkennung in Community uvm.. Andere Einkünfte zur Lebenshaltung aus Berufen sind zudem meist vorhanden. Sie zielen deswegen nicht auf sonderlich hohe monetäre Erlöse ab. Manchmal geht es sogar nur darum, die eigenen Materialkosten abzudecken. Wenn das Produkt virtuell ist, wird oft auch keine Gegenleistung verlangt (z.B. Open Source Software). Mehr dazu z.B. in
„Free Innovation“. Das schließt natürlich nicht aus, dass sich quasi ‚nebenbei‘ trotzdem ein Geschäft aus dem Hobby entwickeln kann.
Marktorientierte, profitmaximierende Preise zu setzen ist also nicht die oberste Priorität für diese Hobbyisten. Lieber möchten sie fair zu anderen Enthusiasten sein oder mit geringen Preisen sicherstellen, dass besonders viele Menschen an ihrer Leidenschaft teilhaben können. Sollte der Preis für distanzierte Betrachter des Angebots nun jedoch stärker als Qualitätsindikator wirken, als für andere Enthusiasten, passiert möglicherweise das Gegenteil: die günstigen, gut gemeinten, Preise könnten abschreckend wirken. In der eigenen Community, die oft als erste Anlaufstellen für Projekte genutzt wird, würde das nicht auffallen. Sollten die Annahmen stimmen, wäre es zur Verbreitung der eigenen Arbeit dann sinnvoll, trotz mangelnden wirtschaftlichen Interesses, zumindest für „externe“ andere Preise zu verlangen, als für „interne“ Kunden. Erhaltene Mehrbeträge könnten Hobbyisten dann z.B. spenden.
Mit diesen Informationen ist der Zweck der Umfrage hoffentlich etwas deutlicher geworden. Für mich geht es dann demnächst an das Auswerten. Ob das so ist und was von diesen Überlegungen dann tatsächlich in meine Arbeit einfließt, wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen. Ich danke euch erneut für eure Teilnahme und die Diskussion. Danke auch an bodow und die anderen, die hier im Hintergrund arbeiten, um diese tolle (virtuelle) Gesellschaft am Laufen zu halten! Hoffentlich stolpere ich dann hier und da mal über eines eurer Biere und ihr bietet mir trotz dieses Denkanstoßes den ‚internen‘ Preis an. ;-)
Beste Grüße
Tobias