bwanapombe hat geschrieben: ↑Freitag 11. Februar 2022, 15:10
Krulle hat geschrieben: ↑Freitag 11. Februar 2022, 14:02
Natürlich hat das Dokument für mich keine gesetzliche Relevanz, da ich es nirgends öffentlich finden kann.
Ich glaube, der letzte Satz stimmt so allgemein nicht. Verwaltungsanweisungen können zumindest auch Wirksamkeit nach außen entfalten, müssen es natürlich nicht. Vor allem nicht, wenn sie einer Verordnung oder einem Gesetz widersprechen. (Dazu können die Rechtskundigen vielleicht mehr sagen.) Und die Biersteuerverordnung sagt eben nichts von jährlicher Anzeige. Sie sagt Anzeige mit Angabe u.a. der voraussichtlich hergestellten Menge. Und das macht nunmal keinen Sinn, jeden Sud mit einer voraussichtlich hergestellten Menge im Kalenderjahr anzuzueigen.
Krulle hat geschrieben: ↑Freitag 11. Februar 2022, 14:02
In einem parallelen Thread wurde eingeräumt, dass man solche Bescheide geflissentlich ignorieren kann.
Weil hier etwas Verwaltungsrecht gefragt ist, erlaube ich mir als eingerosteter Verwaltungsrechtler mal ein paar Aussagen hier zu relativieren, bzw. vor ihnen zu warnen:
Die Aussage "keine gesetzliche Relevanz" ist gefährliches, am Ende teures Halbwissen. Verordnungen können Gesetzeskraft entfalten und an die Stelle ordnungsgemäßer Gesetze treten. Dies wird vor allem da angewandt, wo Änderungen regelmäßig eine zeitnahe Anpassung erfordern, bekanntestes Beispiel ist das Verkehrsrecht, das fast durchweg über Verordnungen geregelt ist. Auch die meisten Corona-Regeln sind meist über Verordnungen geregelt; in diesen Minuten hat das bayerische Verwaltungsgericht die Verkürzung des Genesenenstatus auf drei Monate gestoppt. Grundlage für die Entscheidung war die Verhältnismäßigkeit. Und dieses Wörtchen ist kein zu vernachlässigender Spruch: Bei einem Kleinbrauer sollte eine jährliches Anmeldung genügen, eine monatliche wäre überzogen. Außerdem schont das die Staatskasse.
Es ist richtig, das Verwaltungsanweisungen Wirksamkeit nach außen entfalten können. Wäre dem nicht so, gäbe es keine Verwaltungsgerichte. Denn für die meisten Verordnungen und Gesetze gibt es sogenannte Durchführungsverordnungen. Diese legen den Spielraum für den Sachbearbeiter ja ganzer Behörden und Behördenabteilungen fest. Über all diesen Durchführungsverordnungen steht immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, auch bei der Wahl der Mittel. Wie bekannt, schießen da manche Beamte übers Ziel hinaus oder legen Verordnungen einseitig aus, und dann kommt es zum Streit. Schlimm wird es dann, wenn eine Behörde sich bevorteilt, wie im Fall der Fliegerbombe in München-Freimann, wo eine alte Frau die Bergungskosten zahlen sollte, weil das Ding zufällig auf ihrem Grundstück gefunden wurde. In diesem Fall wurde städtisches Recht überdehnt. Es gilt aber allgemein der Grundsatz, dass die nächsthöhere Instanz das Recht der unteren bricht. (Am bekanntesten: Bundesrecht bricht Landesrecht – Hallo, Herr Söder!)
Allgemein ist es so, dass untere Landesbehörden und Fachabteilungen auf Kreisebene in der Durchführung den größten Spielraum haben. Das eine Zollamt kann als jährlich akzeptieren, das andere nicht - um nur ein fiktives Beispiel heranzuziehen. Das ist aber alles andere als willkürlich, denn in diese Entscheidungen fließen ortsübliche Gegebenheiten ein. Zudem arbeiten Kreisbehörden und Bundesbehörden auf Kreisebene oft eng zusammen. Bekanntes Beispiel ist wohl die Brauerei Camba im Chiemgau, die einige hundert Liter Coffee Milk Stout in den Ausguss schütten musste, auf Anordnung des Landratsamtes, durchgeführt vom Zoll. Nennt sich Amtshilfe.
Um es klar zu sagen: Es muss nicht unbedingt alles in einem Gesetz stehen. Gesetz sind eigentlich eine ziemlich lebendige Angelegenheit, die meist durch Urteile erst ihre Wirkung entfalten. Da muss ich §11 oben widersprechen. Viele Gesetze werden bei uns durch die höchsten Gerichte ausgestaltet. Oder wer hätte gedacht, dass das Urteil über die Vergabe terrestrischer Frequenzen den privaten Rundfunk in Deutschland aus der Taufe hebt (FRAG-Urteil BVerfGe, 3. Rundfunkurteil). Deswegen ist Juristen die Neue Juristische Wochenschrift auch so wichtig, wo die neuesten Urteile Gesetze konkretisieren.
Wer sagt, dass "solche Bescheide" ignoriert werden sollen, erzählt geballten Unsinn. In den seltensten Fällen ist dem so. Fasst kommt mir bei so einer Aussage in den Sinn, dass mit so einem Spruch für eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Anwälte geworben werden soll. Es ist in Foren wie hier und wie auch bei medizinischen Themen immer besser, einen Experten zu fragen. Just my 2 cents,
Radulph