Hallo,
irgendwo, von hier aus gefühlt am Ende der Welt, einmal eigenes Bier brauen - das gefällt mir.
Ich unterstelle, dass auch Bolivien nicht soweit am Ende der Welt ist, dass man sich nicht vernünftige Zutaten wie (Gersten-)Malz, etwas Hopfen und schöne Hefe besorgen kann. Das ist der A&O, der "Rest" geht grundsätzlich in jeder Küche.
Bitte hole dir als erstes etwas Literatur zum Thema oder lies dich im Internet etwas über den Herstellungsprozess ein, einige Links wurden schon genannt. Je einfacher die Anlage, umso besser sollte man meiner Meinung nach verstehen, was man tut.
Wenn du wirklich nur für den Eigenverbrauch kleine Mengen brauen möchtest, dann möchte ich dir meine "Anlage" vorstellen. Diese besteht im Wesentlichen aus ein paar marginal aufgewerteten Hausmitteln, die sich überall finden lassen sollten. Hast du größere Ambitionen, gibt es inzwischen eine unübersichtliche Anzahl vielversprechender Brauautomaten, dazu bin ich aber nicht aussagekräftig.
Da du ja inzwischen eine erste Brauanleitung gelesen hast

folge ich mal dem Prozess. Bitte die einzelnen [Stichworte] selbst suchen, ich bin zu faul, alle Links hierein zu kopieren. Es findet sich alles hier unter Hobbybrauer.de.
Malz Schroten
Es gibt in vielen Shops auch geschrotetes Malz fertig zu kaufen, dieses ist aber nicht lange haltbar. Deshalb empfehle ich eine Schrotmühle. Damit kann man größere Mengen Malz bestellen und nach Bedarf aufbrauchen. Mir hat viele Jahre eine einfache Getreidemühle [Porkert Mühle] gute Dienste getan, die sich sicher bereits vor Ort finden lässt. Bei Neuanschaffung würde ich über eine Walzenmühle [Mattmill] nachdenken.
Maischen
Zum Maischen eignet sich jedes Gefäß, dass sich irgendwie beheizen lässt. Für 20l Bier brauchst du einen "Kessel" von ca. 30l Fassungsvermögen. Ich nutze einen Einkocher [Rommelsbacher] mit einem großen Kochlöffel und einem externen Thermometer (es geht jedes Einkoch- oder Tee- Thermometer, schöner ist ein digitales Gerät). Die Temperatur"regelung" der einfachen Einkocher ist ungeeignet - immer schön rühren und selber messen.
Über offenem Feuer zu Maischen ist etwas komplizierter, aber nicht unmöglich. Hier empfehle ich, vor dem ersten Sud einmal einen Maischeplan nur mit Wasser durchspielen, um Gefühl für das System zu bekommen.
Außerdem unbedingt erforderlich
- [Würzespindel] oder (mein Favorit) [Refraktometer] zum Bestimmen der Würzekonzentration
- [Brauerjod] zum Feststellen der Verzuckerung
- später dann sicher auch irgendetwas zum Messen des [PH Wertes], ist aber schon für Fortgeschrittene
Läutern
Ich habe Bier gebraut mit
- Leinentuch (Windel)
- selbstgelochter [doppelter Oskartonne]
- [Panzerschlauch] und
- [Läuterhexe]
Es geht alles, uneingeschränkte Empfehlung für die Läuterhexe, low Budget ist der Panzerschlauch, der ebenfalls sehr gut funktioniert.
Außerdem brauchst du ein zweites Gefäß o.g. Fassungsvermögens, aus dem heraus du läuterst. Hier geht ebenfalls jeder Topf oder lebensmittelechter Plastikbehälter (Achtung - beim Läutern sprechen wir von ca. 80°C - dass muss das Plastik lebensmittelecht abkönnen).
Man kann auch den Panzerschlauch direkt in der Maischepfanne verbauen und dann daraus läutern, ich finde es schöner, die Maische in das Läutergefäß umzufüllen und von dort zurück in die Maischepfanne (die damit zu Würzepfanne wird) zu läutern.
Kochen
Das erklärt sich selbst.
Ausschlagen
[Whirlpool]
Kühlen
Die ausgeschlagene Würze sollte so schnell wie möglich auf die Temperatur gebracht werden, bei der man Hefe zugibt. Ein (selbstgebauter) [Eintauchkühler] tut sehr gute Dienste.
Gären
Mein Bier gärt zuerst in einem offenen Behälter, prinzipiell kann man hier auch Maischepfanne oder Läuterbottich umwidmen. Besser im Bolivianischen Bergland ist wahrscheinlich ein [Gärfass] mit [Airlock].
Soll es wirklich ein Märzen werden, ist eine Kühlmöglichkeit erforderlich. Die [untergärige Hefe] für diesen Bierstil arbeitet bei 8-12 °C.
Abfüllen
Flaschen, wenn Möglich zumindest für den Anfang Bügelverschlussflaschen, die man ab und zu mal "lupfen" kann um den Druck zu prüfen.
Trinken
Selbstgebrautes wir IMMER aus dem Glas getrunken!
Damit sollte ein erstes Bier gelingen. Konkretere Fragen gerne.
Wie die Vorschreiber schon erwähnt haben, ein Märzen ist ziemlich kompliziert. Starte mit einem [German Ale] oder auch mit einem [Weißbier], das schmeckt beides möglicherweise viel europäischer als Bolivianisches Pils (wobei ich das gar nicht kenne, also keine Wertung). Das Wichtigste ist hierbei die Hefe! Wilde Gärung wie beim Wein ist definitiv nicht empfehlenswert.
Ich wünsche viel Erfolg
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OT:
gulp hat geschrieben: ↑Sonntag 14. August 2022, 00:41
Echt, wo ist da der Unterschied?
Gruß
Peter
Jens Luckart hatte dazu im Lockdown ein wunderbares Video gemacht, ich plappere mal sinngemäß nach:
Früher (tm) braute man im Süden die helleren Biere überall auf die gleiche Weise. Mit der Zeit verbesserten sich die Rohstoffe und auch die Technologien beim Mälzen und in der Brauerei. Die erreichbare Ausbeute erhöhte sich dadurch merklich und hier trennen sich die Wege. Während die sparsamen Österreicher mit der gleichen Menge Rohstoff jetzt mehr Bier gleicher Qualität herstellten, freuten sich die Deutschen bei unverändertem Rezept über immer stärkere Biere in der gewohnten Menge.
Meines Wissens (und meiner Erfahrung nach) ist das österreichische Märzen deshalb eher dem deutschen Hellen gleichzusetzen.