Karbonisierung und Reife umdrehen?

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Brauknecht96
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Karbonisierung und Reife umdrehen?

#1

Beitrag von Brauknecht96 »

Hallo zusammen,

gestern abend habe ich mich mal wieder sehr geärgert, als ich einige Flaschen selbstgebrautes zur Verkostung zu Freunden mitgenommen habe. Als ich angekommen war, hatte sich der Bodensatz der flaschenvergorenen Biere wieder "schön unters Volk gemischt", was zumindest mich sehr gestört hat. Da ich Flaschennachgärer bin und auch bleiben möchte, suche ich nach einer Möglichkeit, den Trubanfall in den Flaschen deutlich zu reduzieren und trotzdem die Karbonisierung in der Flasche über Speise-/Zuckergabe durchzuführen.

In einem Forumsbeitrag, den ich leider nicht mehr finde, ging es darum, dass unsere transatlantischen Kollegen bei Gärung und Reife teils etwas anders vorgehen, als hier üblich oder verbreitet. Jemand hatte dort erwähnt, dass man nach der Hauptgärung, erst eine Reifephase (in einem zweiten Gärfass) macht und danach erst in Flaschen abfüllt und über einer Speise-/Zuckergabe CO2 in's Bier bringt. Dies könnte doch des Problem's Lösung sein. In der Reife sedimentiert das Bier, der Trub setzt sich am Boden ab. Wenn man nach der Hauptgärung eine Reifephase in einem zweiten Gärbehälter einschiebt, kann sich dort der Trub setzen. Anschließend kann das Bier zur Kabonisierung in Flaschen ohne / mit sehr wenig Trub abgefüllt werden. Was ich mir aber immer vorgestellt habe, war, dass nach der kalten Reife, auch alle Hefezellen hinüber sind. Für eine Karbonisierung nach einer Reife müsste in meiner Denkweise also noch einmal Hefe zugesetzt werden.

Nun habe ich aber in John Palmers Online Buch "How to brew" Chapter 8.5 "Secondary Fermentor vs. Bottle Conditioning" (http://howtobrew.com/section1/chapter8-5.html) folgendes gefunden:

For the best results, the beer should be given time in a secondary fermentor before priming and bottling. Even if the yeast have flocculated and the beer has cleared, there are still active yeast in suspension that will ferment the priming sugar and carbonate the beer.

Kurz zur Erklärung: Nach der Hauptgärung (primary fementation phase) wird im zweiten Gärfass ohne die abgesetzte Hefe aus der Hauptgärung die Reifephase durchgeführt (secondard fermentation phase), allerdings nicht in der Flasche unter Druck, sondern drucklos im besagten zweiten Fass. Erst nach der Reife wird in Flaschen abgefüllt und mittels Speise/Zucker CO2 im Bier gebunden. Nach John Palmer sollen noch ausreichend Hefezellen vorhanden sein, um aus dem Zucker CO2 zu bilden.

Überall heißt es Hauptgärung, dann in Flaschen abfüllen, Nachgärung bei Gärtemperatur, dann kaltstellen und reifen. Von dieser "amerikanischen" Vorgehensweise habe ich noch nie etwas gelesen.

Hab den jemand von euch einmal die Gärung so, wie beschrieben, durchgeführt und kann von Erfahrungen berichten?
Sind tatsächlich noch genug Hefezellen zur Umsetzung des zugegebenen Zuckers nach der kalten Reife vorhanden oder muss "nachgeheft" werden?
Für mich die wichtigste Frage: Neigen die abgefüllten Bier nach der Reife auch noch stark zum Absetzen von Trub?


Beste Grüße
Brauknecht96
hoggel1
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Re: Karbonisierung und Reife umdrehen?

#2

Beitrag von hoggel1 »

Hallo Brauknecht,

Ich habe das jetzt 2 mal gemacht, d.h. nach 1 Woche umgeschlaucht, und noch mal 2 Wochen stehen lassen.
Danach noch mal einen Cold Crash gemacht. (Bier abkühlen auf fast 0 °C.

Ich habe leider keine Bilder gemacht, aber das Bier hat deutlich weniger Bodensatz. Die Nachgährung dauert gefühlt ein bischen länger. Genau kann ich es nicht sagen, da ich kein Flaschenmanometer habe. Ich fülle immer 1 Plastikflasche mit ab, und wenn die gefühlt so fest ist, wie eine orginalbefüllte, gehe ich davon aus, das die Nachgährung durch ist und ich anfangen kann, mein Bier zu probieren. :Bigsmile

MfG
Thomas
Kelte
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Re: Karbonisierung und Reife umdrehen?

#3

Beitrag von Kelte »

Es stimmt, man kann diese Vorgehensweise in vielen englischsprachigen Büchern wiederfinden. Die Kälte dürfte der Hefe wenig ausmachen. Sie wird ja auch von einigen hier im Kühlschrank bei 0-2° gelagert. Andere frieren sie ein und das überlebt sie auch. Du wirst mit der Methode weniger Bodensatz in der Flasche haben, aber klar ist auch, dass durch die Flaschenkarbonisierung immer ein Hefesatz bleibt.

Wenn es dir rein um den Trub geht, könntest du alternativ mal versuchen das Bier zu klären, zB mit Irish Moss. Aber abgesehen von größeren Infektionsrisiko beim umschlauchen in einen weiteren Eimer, wirst du damit sicher Erfolg haben und deinem Ziel ein Stückchen näher kommen.
Schweiz1
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Re: Karbonisierung und Reife umdrehen?

#4

Beitrag von Schweiz1 »

Hallo,

bei uns läuft die Gärung locker zwischen 3 und 5 Wochen ab. Soll nicht heissen, dass tatsächlich noch Gärung abgeht aber meistens kommen wir erst sehr spät zum Flashcne/Fässer abfüllen. Positiver Nebeneffekt ist, dass der Bodensatz sich bereits im Gärfass fast komplett bildet und das Bier relativ klar rauskommt.

Das Fass steht dann bereits in Ausgangsstellung (etwas höher) und wir ziehen das Jungbier aus dem Hahn des Gärfasses ab.

Flaschen haben wir eigentlich immer mit Zucker karbonisiert. Speise hätten wir erst in einem weiteren Fass mit dem Jungbier vermischen müssen. Das rechtfertigt den Aufwand nicht.

Nach dem Abfüllen ist genug Hefe in Schwebe in den Flaschen um den Zucker zu verknuspern.
Ja, auch dann entsteht ein Bodensatz und wenn man die Fläschchen dann weit transportiert, dann wird es trüber.
Aber es ist nicht so gewaltig störend, dass ich an dem Verfahren etwas ändern würde.

Bei Fässern schlauchen wir nach der Gärung erst in ein erstes Fass um für die Nachgärung, am besten mit kurzem Degen.
Danach geht es in das Finale Fass, bereits unter Druck aus der Nachgärung und dann in die Reife.

Auch dann kann noch ein wenig Schnodder mit dabei sein, aber egal.
Ich habe die Tage davon gehört, dass manche Hausbrauerei seine Fässer auf dem Kopf lagert und kurz vor dem Anstich umdreht, damit es Hefe-trüb wird. Der Verbraucher verbindet mit trüb hausgemacht.

Viel Erfolg und schönes Wochenende.

Gruß Stefan
Wir sollten aufhören...
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cyme
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Re: Karbonisierung und Reife umdrehen?

#5

Beitrag von cyme »

Die onlineausgabe von Palmers Buch ist schon etwas veraltet, inzwischen hat er seine Meinung geändert zu "Leave ist in the primary, you know, a month". Und das ist bei vielen US-Heimbrauern auch so gängige Praxis.

Ich lasse meine Sude meistens nach der HG ca eine Woche stehen, in der Zeit setzt sich noch viel ab.
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Johnny H
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Re: Karbonisierung und Reife umdrehen?

#6

Beitrag von Johnny H »

Brauknecht96 hat geschrieben:[...]Da ich Flaschennachgärer bin und auch bleiben möchte, suche ich nach einer Möglichkeit, den Trubanfall in den Flaschen deutlich zu reduzieren und trotzdem die Karbonisierung in der Flasche über Speise-/Zuckergabe durchzuführen.

In einem Forumsbeitrag, den ich leider nicht mehr finde, ging es darum, dass unsere transatlantischen Kollegen bei Gärung und Reife teils etwas anders vorgehen, als hier üblich oder verbreitet. Jemand hatte dort erwähnt, dass man nach der Hauptgärung, erst eine Reifephase (in einem zweiten Gärfass) macht und danach erst in Flaschen abfüllt und über einer Speise-/Zuckergabe CO2 in's Bier bringt. Dies könnte doch des Problem's Lösung sein. In der Reife sedimentiert das Bier, der Trub setzt sich am Boden ab. Wenn man nach der Hauptgärung eine Reifephase in einem zweiten Gärbehälter einschiebt, kann sich dort der Trub setzen. Anschließend kann das Bier zur Kabonisierung in Flaschen ohne / mit sehr wenig Trub abgefüllt werden.
[...]
Ich hatte dazu neulich hier was gepostet, und im alten Forum wurde auch schon mal die Vorgehensweise mit Carboys/Glasballlons diskutiert.

Selbst ausprobiert habe ich das persönlich noch nicht, es steht aber auf der Liste. Die Vorgehensweise ist aber durchaus üblich.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
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cyme
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Re: Karbonisierung und Reife umdrehen?

#7

Beitrag von cyme »

Stöbert mal auf amerikanischen Brauseiten: das Umschlauchen ist out, inzwischen sind die meisten dazu übergegangen, einfach das Jungbier nach der Hauptgärung noch 2-3 Wochen auf der Hefe liegenzulassen und dann abzufüllen. Der ursprüngliche Grund für das Umschlauchen war angst vor der Autolyse, inzwischen sind sich die meisten aber einig, dass Autolyse in der 20l-Klasse unter Hobbybrauerverhältnissen keine wirkliche Gefahr ist. Einen Glasballon braucht man dafür extra nicht, solange man nicht Unmengen Sauerstoff mit reinbringt, tut's auch ein luftdichter Plastikeimer.
Brauknecht96
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Re: Karbonisierung und Reife umdrehen?

#8

Beitrag von Brauknecht96 »

Hallo,

Vielen Dank für eure Antworten.

Ich hatte heute Gelegenheit mit einem befreundeten Braumeister über das Thema zu sprechen. Er sagte, die einfachste Möglichkeit dem Trub Herr zu werden, ist, nach Abschluss der Hauptgärung, den Sud einfach noch ein bis zwei Wochen im Fass zu belassen. In dieser Zeit setzen sich die meisten Schwebstoffe ab, dies ggf. bei geringeren Temperaturen. Zur Frage, wie lange man den Sud darüber hinaus ohne negative Auswirkungen auf den Geschmack stehen lassen kann, hatte er keine Erfahrungen. Die Angst vor einer Autolyse hält er für nicht so gravierend.

Diese Infos wollte ich euch nicht vorenthalten. Das deckt sich ja sehr mit dem, was ihr geschrieben habt.

An dieser Stelle frage ich mich, warum es noch keine bezahlbaren ZKGs (drucklos, Kunststoff) für den Amateurbereich gibt. Mehr als ein normales Gärfass kann sowas in der Herstellung ja nicht kosten. Das würde das Hobbybrauerleben ja sehr vereinfachen. Alles für ein paar Wochen in den "Pott", ab und an mal Hefe und Trub abziehen und mit wenig Trub ab in die Flasche.

Beste Grüße
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Alt-Phex
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Re: Karbonisierung und Reife umdrehen?

#9

Beitrag von Alt-Phex »

Brauknecht96 hat geschrieben: An dieser Stelle frage ich mich, warum es noch keine bezahlbaren ZKGs (drucklos, Kunststoff) für den Amateurbereich gibt.
Gibts doch schon längst

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Re: Karbonisierung und Reife umdrehen?

#10

Beitrag von schnapsbrenner »

Alt-Phex hat geschrieben:
Brauknecht96 hat geschrieben: An dieser Stelle frage ich mich, warum es noch keine bezahlbaren ZKGs (drucklos, Kunststoff) für den Amateurbereich gibt.
Gibts doch schon längst

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hufpfleger
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Re: Karbonisierung und Reife umdrehen?

#11

Beitrag von hufpfleger »

Brauknecht96 hat geschrieben:Hallo zusammen,

gestern abend habe ich mich mal wieder sehr geärgert, als ich einige Flaschen selbstgebrautes zur Verkostung zu Freunden mitgenommen habe. Als ich angekommen war, hatte sich der Bodensatz der flaschenvergorenen Biere wieder "schön unters Volk gemischt", was zumindest mich sehr gestört hat. Da ich Flaschennachgärer bin und auch bleiben möchte, suche ich nach einer Möglichkeit, den Trubanfall in den Flaschen deutlich zu reduzieren und trotzdem die Karbonisierung in der Flasche über Speise-/Zuckergabe durchzuführen.
Hallo,

wenns nur einige Flaschen zum Mitnehmen sind, könnte man es ja mal nach der "Champagner- Methode" versuchen:

Beim Degorgieren (Enthefen) wird der entstandene Hefepfropfen entfernt, ohne dass der Sekt die Flasche verlässt. Man unterscheidet zwischen Kalt- und Warmdegorgieren. Beim Kaltdegorgieren wird die abgerüttelte Hefe im Flaschenhals eingefroren, indem die Flaschen kopfüber in ein Eisbad gesteckt werden. Anschließend kann die Flasche zum Öffnen umgedreht werden, ohne dass das Hefedepot den Sekt wieder eintrübt. Beim Öffnen des Kronkorkens wird der Hefe-Eis-Pfropfen durch den Gasinnendruck herausgeschleudert. Die Technik bietet mittlerweile vollautomatisierte Lösungen mit hohen Stundenleistungen an. Da beim Degorgieren immer auch ein wenig Schaumwein verloren geht, wird die Flasche mit der Dosage (franz.: liqueur d´expedition) wieder aufgefüllt. Mit dieser kann zugleich der Süßegrad des Schaumweines bestimmt werden. Die "Dosage" besteht aus einem Gemisch aus Wein und Zuckersirup. Verzichtet wird auf die "Dosage" bei sogenannten "Zero-Dosage, pas dosé, brut nature" die dann einen Restzuckeranteil von weniger als 3 g/l aufweisen.

Beim Warmdegorgieren (frz. dégorgement à la volée) wird das Hefedepot nicht eingefroren, die Flasche muss kopfüber geöffnet werden: Geschick und Schnelligkeit ermöglichen das manuelle Warmdegorgieren. Auch ausgereifte halbautomatische Lösungen werden angeboten.


So ein handgerütteltes Bier wär doch wirklich was außergewöhnliches :thumbup
Gruß Dieter

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