
Die sich an diesem Wochenende gebildete Roggengang hatte es sich zum Ziel gesetzt, dem Mythos des Roten Roggenmalzes auf die Spur zu kommen und einen Großsud einzubrauen, was leider aufgrund der angebrannten Heizspirale in meinem Kessel ein jähes Ende nahm - zumindestens bei der Verkostung nach sechs Wochen.
Es wurde stillschweigend vereinbart, dass jeder der bisher vier Mitglieder der Roggengang eigene Versuche weiterlaufen lässt: Königsfeld hatte schon hier die meisten Erfahrungen, Solod hatte das rote Roggenmalz bereits gezähmt mit einem Kaltauszug von 46!!!!! % Roten Roggenmalz. Ich und Shadow hatten bisher weniger "das Vergnügen".
Umso mehr hat es mich gefreut, dass mein Braufreund nun an mich eine Charge der letzten Kreationen geschickt hatte.
Es enthielt neben einen weiteren Versuch des <Roggenbieres> einen ersten Versuch eines untergärigen Bieres seinem <Landsknecht> und ein <X-Mas-Bier>
In einem netten Begleitschreiben war zu lesen, dass die Biere jung abgefüllt wurden und noch etwas Lagerung bedürften, die ich ihnen sehr gerne gegeben habe. Heute war aber der Tag, an dem die Biere leider "dran glauben mussten".
Hier mal das "Ensemble":
Es sei nicht unerwähnt, dass seit dem Brau- und Backwochenende die oft vorherrschende Angst vor den Tücken der untergärigen Brauerei etwas abgenommen zu haben scheint. Denn mit dem <Landknecht UG> präsentierte mir Shadow gleich einen seiner ersten untergärigen Versuchen, mit dem er noch nicht so ganz zufrieden sei, wie er schrieb.
Als mal sehen, wo der Schuh drückt und da man ja mit dem beginnen soll, bei dem man sich am sichersten fühlt, war auch der <Landknecht> als erstes dran.
Etwas überrascht war ich, dass sich ein schöner Goldton bis - man möchte sagen - angehauchter Kupferton ins Glas ergoss. Ich hätte auf ein typisches Helles oder zumindestens Goldiges getippt. Wir bewegen uns also Richtung dem so viel gepriesenen "Bernstein" oder mancherorts auch "Braunbier" genannten hinzu. Der Schaum steht mittelporig im Glas - dazu habe ich dieses Mal einen Pokal gewählt, da dieser auch später dem Roggenbier genügend Raum geben würde. Das Bier schenkte sich sauber ein und es bildete sich bereits nach wenigen Zentimeter Einschenkhöhe ein schöner deutlich weißer Schaum, den man als mittelporig beschreiben möchte und sich tapfer an die Glaswand klammert. Der Schaum bildet sich langsam zurück, obwohl von unten deutlich "nachgeschoben" wird. Hmmm! Das ist jetzt nicht so sehr ungewöhnlich, da ein Pokal ja eher für hochmoussierende Biere wie Weizen ideal ist - mich würde aber trotzdem die Einmaischtemperatur hier interessieren.
Wenn man jetzt denkt: Naja, das wird ein Heimspiel - dann lieber Shadow hast du mir aber ein ganz schönes an die Schiene genagelt, sprich eine schöne Nuss zum knacken vorgelegt.
Nach dem von mir gewohnten ersten langen Zug stellen sich viele Fragezeichen ein, die ich jetzt nur teilweise wohl richtig zuordnen kann. Ich kann jetzt schon sagen, dass ich auf das Rezept - wenn du es veröffentlichen möchtest - schon sehr gespannt bin.
Die Nase hat es schon festgestellt - ein deutliches Hopfenaroma kam nicht heraus - alleine schon von der Farbe her, denkt man an ein schön süffiges Bierchen und wird von einer deutlichen Bittere quasi überrascht. Nicht genug, es drängen sich im letzten Winkel noch deutlich Fruchtaromen hinzu und gleichzeitig ist man von der präzisen Geradlinigkeit des Körpers - trotz der Farbe - überrascht.
Grübel! Grübel! Mein lieber Schwan! Es gibt prinzipiell nichts, was man als Hobbybrauer nicht tun könnte, aber ich kann mir vorstellen, dass die unterschiedlichen Stilrichtungen quasi in einem Bier gemischt das waren/sind, was dich an deinem ug-Bier gestört hat.
Die Bittere des Bieres passt im herkömmlichen Sinne nicht dem Farbton so recht überein - in der klassischen ug- Brauerei findet man ein dunkel angehauchtes Bier nicht so sehr mit einer von mir geschätzten Bittereinheit, die meiner Meinung nach nicht viel oder weit von der Zahl 40 entfernt ist. Die Stammwürze tippe ich auf um die 13%, wobei aber der von der Farbe versprochene Malzton zum Einen durch die Bittere im Allgemeinen als auch durch die Frucht der Hopfen überlagert werden. Trotz der Bittere wage ich es einen Cascade Hopfen zu schmecken - ganz entfernt besonders beim Erkunden des sogenannten Nachhalls denke ich den Mandarina auch zu schmecken. In jedem Fall ist mindestens einer der typischen "Amihopfen" mit am Start. Da die Bittere sehr kräftig, das Hopfenaroma eher dezent ist, kann ich mir auch vorstellen, dass mit dem Hopfen auch gestopft wurde - hier bewege ich mich aber jetzt wirklich blind im Hopfenfeld.
Eine kräftige Hopfennote - vor allem wenn sie rein und nicht gallig den Rachen runtergeht hat immer ihre Vorzüge, dennoch war ich von der Eleganz des Malzkörpers überrascht. Trotz der deutlichen goldenen bis kupfernen Farbe möchte ich fast drauf wetten, dass der Hauptbestandteil entweder ein Pilsner oder ein Wienermalz war, was durch die Verwendung geringfärbender Spezialmalze abgedunkelt wurde. Ich könnte mir hier eine reine Wienermalzschüttung vorstellen (den Farbton kenne ich) aber auch eine geringe Zugabe von Mela oder einem Caraamber. Auch habe ich eine solche Farbe durch ein bis zwei kg Münchner bei einer sonst reinen PiMa-Schüttung auch schon gezaubert. Viel mehr kann es aber nicht sein, da ein deutlicher Malzkörper in der Mitte fehlt.
Warum stört dich nun das Bier - weil es eigentlich ein Zwitter ist - aber das kannst du beim nächsten Sud ganz leicht auseinander dividieren:
Alleine vom Namen <landknecht> und der wunderschönen Farbe stelle ich mir den typischen Soldaten der damaligen Zeit vor, im brutal ledernen Outfit mit der Lanze in der einen Hand und einem mindestens 2 Liter fassenden Holzkrug in der anderen Hand. Darin ein braungebranntes Bierchen, würzig, füllig mit schönem Schaum, perlend und geringer - so nebenher laufender Bittere. Klassisch gehopft mit einem würzigen, kräuterigen Hopfen, vielleicht auch einer etwas älteren Sorte wie den "Ur-Tettnanger" - warum nicht.
ODER
Man verwandelt das Ganze in ein Pale Lager (oder wie immer man das nennen möge) lässt alle färbenden Bestandteile weg und hopft dann kräftig und merklich ein "Sommer-Helles" zusammen, was man dann sowohl von der fruchtigen Hopfenauswahl wie auch von der gegebenen Hopfenbittere in IBU genau so lassen könnte wie es hier schon erschaffen wurde. Im Prinzip hast du meiner Meinung nach mit diesem <Ur-Rezept> eigentlich die Grundlage für zwei wunderbare untergärige Biere gelegt - du musst sie praktisch nur aus ihrer "siamesischen Umklammerung" befreien.
Das zweite Bier war natürlich nach dieser schweren Aufgabe gleich das Roggenbier, auf das ich schon seit Erhalt des Pakets durch Solod schon so gespannt war. Nochmal Danke Solod an deine liebe Frau, die hier den Postboten gespielt hat.
Der Begriffy <<Roggn-Roll>> war ja die Wortschöpfung von Shadow, nachdem er bei seinem Erstversuch im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Roggen - Roggn Roll tanzen musste.
Der neue Name "Roggende Weihnacht" passt daher sehr gut zum gewählten Wortstamm.
Mein Gott, ist man da aufgeregt. Also rein ins Glas, wobei ich da schon höllisch aufpassen musste, da trotz Pokal etc ein wahrer Sturm der Kohlensäure den dichten gelblichen Schaum durcheinanderwirbelte. Was für eine Schau! Trotz vorsichtigen Einschenken - war jetzt Bodensatz in der Flasche oder nicht??? - habe ich auf die letzen 2 cm verzichtet. Dann gab es eine kurze Unterbrechung der Lyrik, denn der Hunger nach eingeschnittenen Klößen hat meinen kleinen Braumeister ereilt und bis der Papa die Pfanne schwengte hatte sich der dichte Schaumberg dann doch wieder schon etwas verzogen. Trotzdem hier das Bild der <<Roggenden Weihnacht>>
Tiefschwarz steht es - quasi undurchsichtig - im Glas, der leckere gelbliche Schaum zeugt vom Einsatz des "verfluchten" roten Roggenmalzes und auch die Nase nimmt sofort diese deutlichen Kwas-Aromen auf. Ja, hier was Malz - Made in Litauen im Spiel.
Der Malzkörper ist unglaublich dicht, man schmeckt brotaromen, sauerteig, leichte Röstnoten und breite Karamellnoten - unheimlich komplex aber!!!!! eben nicht zu breit. Der Mund und Rachen werden nicht ausgefüllt, es kommt kein Bläh-Gefühl auf und das Bier schnürt einem nicht die Kehle zu. Es gleitet vielmehr nach unten, nicht ohne sich auch mit langen Nachhall am Gaumen zu verabschieden. Grenzwertig!! Aber gut. das Rote Roggenmalz - mich würde hier wirklich die Schüttung interessieren - ist deutlich im Vordergrund, fast zu übermächtig. Daher der Brotzeittest:
Schnell Semmela mit Salami geschmiert - mal einen Brotzeitgeschmack in den Rachen gezaubert und jetzt ein tiefer Schluck des Ganzen. Passt! Perfekt!! Das Bier zur Brotzeit ist gefunden.
Kräftig im Geschmack! Tiefschwarz und brotig! leichte Sauerteignote und geringe Bittere, was die Süffigkeit unterstreicht.
Tja lieber Shadow, da hast du jetzt schon auf die Zielgerade eingeschwenkt, die ich noch nicht erreicht habe - vielleicht mit meinem letzten beschriebenen Sud - wir werden sehen.
ich bin jetzt sehr gespannt, was deine Idee/Grundlage zur "Zähmung" des Roten Roggens war. Vielleicht gibst du ja dein Geheimnis noch preis

Nun, hier möchte ich meine Berichterstattung beenden - ich bedanke mich nochmals bei dir für dieses nette und köstliche "Neujahrsgeschenk".
Da nicht nur ich in den Genuss kommen durften, bleibt hier sicherlich noch Raum für andere Meinungen und natürlich für dein Feedback.
Bis bald dann in der Roggengang
Grüßele
Holger