Malze aus historischen Rezepten

Fragen und Diskussion rund um Rezepturen zum Bierbrauen
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Ladeberger
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Malze aus historischen Rezepten

#1

Beitrag von Ladeberger »

Hallo an alle Bierhistoriker,

ich schmökere in letzter Zeit gerne in alter Brauliteratur, v.a. im Zeitrahmen 1800 - 1850. An Malzen werden meist "blasses", "bernsteinfarbenes" und "braunes" Gerstenmalz aufgeführt. Weiß jemand, welcher Färbung/EBC das in damaliger Zeit in etwa entsprochen haben könnte? Interessant finde ich in dem Zusammenhang, dass sich vorgenanntes wortwörtlich übersetzen lässt zu Pale, Amber und Brown Malt. Weißt das in die richtige Richtung? Oder ist das eher Zufall? Selbst wenn... besteht zu heutigen Pale/Amber/Brown Malts von Warminster & Co. noch eine Verbindung? Meine nämlich von Ron Pattison mal gelesen zu haben, dass es da auch wieder starke Unterschiede gibt und früher wohl sogar Brown Malt noch enzymaktiv war. Fragen über Fragen...

Mir ist klar, dass sich hierzu auch aufgrund der veränderten Mälzungstechnologie keine genaue Aussage machen lässt, aber so eine grobe Hausnummer würde mir schon sehr weiterhelfen.

Gruß
Andy
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aegir
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Re: Malze aus historischen Rezepten

#2

Beitrag von aegir »

Ich vermute, dass "blass" damals luftgetrocknet bedeutet hat und das Malz eher Richtung Pilsner oder noch heller war.
"Bernstein" denke ich helles Münchner. Das als 100% Schüttung gibt ein schönes Bernstein. Aber da gibt es ja auch Farbunterschiede. Wenn das "Braun" noch Enzyme hatte, war es wohl nicht dunkler als 30 EBC.
Aber wie gesagt...alles nur Vermutungen.

Gruß Hotte
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Johnny H
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Re: Malze aus historischen Rezepten

#3

Beitrag von Johnny H »

War Brown Malt nicht früher (d.h. vor der Verbreitung von Pale Malt) das mehr oder weniger einzige Basismalz für Porter-Biere? Dieses wurde ja m.W. erst später aufgrund der höheren Ausbeute durch Pale Malt und einem kleinen Anteil an dunklem Malz ersetzt, um die Färbung hinzukriegen. Daraus ergibt sich ja fast zwangsläufig, dass in Brown Malt Enzymaktivität vorgelegen haben muss.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
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Seed7
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Re: Malze aus historischen Rezepten

#4

Beitrag von Seed7 »

Blass / Pale war nicht luft getrocknet, es wurde in England White genannt und in den Niederlanden/Flandern Wit. Gab es in Deutschland Weisses Malz (nicht Weizen).

1800-1850 ist die zeit der umwandlung von 100% Brown auf Pale & Brown fuer Porter, das haengt mit der verbreitung vom Hydrometer zusammen, da man damit fest gestellt hat das Brown malz weniger effizient war. In dieser periode hat sich auch das Brown malt geaendert zu etwas das naeher an das von heute ist als die diastatische version. Die erfindung vom Black malt hat das Brown dan fast verdraengt.

Amber malt hat die gleiche verwandlung erlebt, es gibt aber noch ein Amber oder eigentlich Aromatic malt mit genuegend enzyme, wird von MFB produziert und ist glaube ich etwa 20 EBC. Farben sind immer schwierig und Amber konnte varieren van was wir jetzt als Biscuit kennen bis so etwa 150 EBC.

Das pale malt von der zeit wird oft mit das mild malz von heute verglichen.

Ja, ich denke mann kann einen vergleich machen zwischen den Englischen und Kontinentalen malze, es hat immer einen lebendigen handel in bier und Kenntnis gegeben. In algemeinen kann mann denke ich annehmen das die "brueh"zeiten von damals etwas laenger waren und ungleichmaessiger.

Ingo
"Wabi-Sabi" braucht das Bier.
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Ladeberger
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Re: Malze aus historischen Rezepten

#5

Beitrag von Ladeberger »

Danke soweit für Eure Antworten!

Ich habe nun mit den neuen Stichworten weitergesucht und in "Abhandlung über die Kunst zu brauen etc" auf S. 24 zu den Temperaturen der Malzbereitung (Darren? Rösten?) folgendes gefunden:

Bild
Bild

Rechnet man das mal um auf °Celsius:

51°C Weisses Malz
54°C Hellgelbes Malz
56°C Bernsteinfarbiges Malz
59°C Dunkelbernsteinfarbiges Malz
62°C Hellbraunes Malz
67°C Dunkelbraunes Malz
69°C Braun, ins Schwarze fallend
72°C Dunkelbraunes, mit Schwarz gesprenkeltes Malz
75°C Schwarzbraunes Malz
77°C Dunkelkaffeebraunes Malz
80°C Schwarzes Malz

Gemessen wurde wohl die Temperatur im Malz und es wird im Text vermutet, dass an den Kontaktflächen zur Pfanne höhere Temperatur herrschte. Klingt mir daher eher nach Rösten als Darren. Verstehe ich es also richtig, dass man zunächst immer Weisses Malz hergestellt hat und das dann variabel geröstet wurde? Wobei ich an dem Punkt trotzdem nicht so recht verstehe, wie Malz bei 80°C "Kerntemperatur" schwarz werden kann. Ungleichmäßiges Rühren/Umschichten? Das wäre doch kaum reproduzierbar gewesen...

Mein konkretes Rezept spricht übrigens von 50% bernsteinfarbigem Gerstenmalz und 50% braunem Gerstenmalz. Könnte man sich der Sache so annähren, dass ich Pale Ale Malt oder Mild Ale Malt in den Backofen packe, bis es die gewünschte Farbe hat? Oder sind die Enzyme dann ganz sicher futsch?

Gruß
Andy
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Hieronymus
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Re: Malze aus historischen Rezepten

#6

Beitrag von Hieronymus »

Hallo Andy!

Ich glaube die angegebenen Temperaturen kannst Du vergessen. Im Text wird nicht ersichtlich wie groß die Pfanne war und welche Form sie hatte. Über die Wanddicke wird auch nichts gesagt.
Deswegen ist das nicht reproduzierbar. War sie sehr flach, so hatte sie wahrscheinlich einen sehr hohen Temperaturgradienten. Der Wärmeverlust über die Fläche war sehr hoch.
Dadurch waren die Malzkörner direkt am Boden der Pfanne wahrscheinlich relativ hohen Temperaturen ausgesetzt und wurden geröstet, während in der Mitte vergleichsweise geringe Temperaturen herrschten.
Umgekehrt, bei einer tiefen Pfanne kann die Gesamttemperatur niedrig sein.
Außerdem wird nichts über die Feuchtigkeit des Malzes ausgesagt. Eventuell wird das Schwelken des Malzes dem Darren hier zugerechnet. Dann könnten die niedrigen Temperaturen natürlich
wieder Sinn machen. Wird noch feuchtes Malz moderaten Temperaturen (60 - 80 °C) ausgesetzt bräunt es schon viel eher als trockenes Malz.
Ich kann mir vorstellen, dass früher beide Verfahren angewendet wurden: Das heute übliche Schwelk- und Darrverfahren und das vollständige Lufttrocknen mit anschließendem Darren. Letzteres habe ich neulich ausprobiert.
Es lieferte sehr interessante Ergebnisse. Das Bier war supermalzig.

Gruß
Heinrich
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Seed7
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Re: Malze aus historischen Rezepten

#7

Beitrag von Seed7 »

Ladeberger hat geschrieben: Verstehe ich es also richtig, dass man zunächst immer Weisses Malz hergestellt hat und das dann variabel geröstet wurde?
Vom Brown, Amber (und Pale) weiss ich dass es in einem gang in zwei schritte im ofen von gruenmalz hergestellt wurde, erst trocknen dan 'rosten'.

Das Blog "Brewing the hard way" ist sehr lesenswert, es hat viele experimente um selber Brown malt zu machen.
https://brewingbeerthehardway.wordpress ... malt-2014/
und video kanal https://www.youtube.com/user/francois4050/videos

http://homebrewingadventures.blogspot.n ... -malt.html

Ingo
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Ladeberger
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Re: Malze aus historischen Rezepten

#8

Beitrag von Ladeberger »

Danke Heinrich und Ingo, so langsam ergibt sich mir ein Bild! Es geht wohl an self-made wenig vorbei.

Gruß
Andy
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Berliner
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Re: Malze aus historischen Rezepten

#9

Beitrag von Berliner »

Um 1850 wurde erst die Rösttrommel eingeführt, daher hat sich wohl gerade in dieser Zeit die Herstellung von dunklem Malz verändert.
Mallet schreibt in "Malt" dazu:
"Die frühen Typen von Brown Malt, auch als Blown oder Snap Malz bekannt, wurden mittels intensiver Hitze, die durch zugeben von Reisigbündeln zum Feuer erzeugt wurde, hergestellt. Das daraus resultierende Malz hatte einen Rauchgeschmack mit Obertönen von Karamell. Es war Grundbestandteil von Porter vor der Entwicklung der Trommelröster in der Mitte des 19. Jahrhunderts."

Die o.a. Temperaturen sind viel zu niedrig. Der Autor zweifelt ja auch schon selbst an deren Korrektheit. Ich vermute, dass zu dieser Zeit beim Rösten eher "auf Sicht" gefahren wurde als nach einem strengen Temperaturprofil.
Gruß vom Berliner
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Seed7
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Re: Malze aus historischen Rezepten

#10

Beitrag von Seed7 »

Hieronymus hat geschrieben: Wird noch feuchtes Malz moderaten Temperaturen (60 - 80 °C) ausgesetzt bräunt es schon viel eher als trockenes Malz.
Bei den hohen temperaturen die bei Brown benuetzt werden ist es sehr wichtig das das malz absolut trocken ist bevor die temperatur erhoeht wird. Die enzyme denaturieren sehr schnell wenn zu viel feuchte da ist, wen trocken geht das weniger schnell. Das von Berliner erwaehnte Blown oder Snap malt wurde so schnell und hoch erhitzt das es sich auf blaehte wie Popcorn.

@Andy, so eine versuchsreihe wie im zweiten Blog link von mir kannst du an einem nachmittag mit etwas pilsmalz durchfuehren. Mit Muenchner gibt es auch interessante resultate.

Hier gibt es noch einiges

Ingo
Zuletzt geändert von Seed7 am Sonntag 15. Februar 2015, 13:45, insgesamt 1-mal geändert.
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flying
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Re: Malze aus historischen Rezepten

#11

Beitrag von flying »

Ich habe mal gelesen, dass Brown Malt unbedingt über Strohfeuer gedarrt werden musste, um den damals vorherrschenden (und wenig beliebten) Rauchgeschmack zu minimieren. Mit Erfindung der Heißluftdarre und der Rösttrommel wurde das alles, wie schon erwähnt, obsolet.
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gulp
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Re: Malze aus historischen Rezepten

#12

Beitrag von gulp »

Hallo zusammen,

zum "Pale Malt" habe ich mir mal notiert:


Pale Malt, kam im späten 17. Jahrhundert in England auf. Es war Anfangs sehr selten, weil der Herstellungsprozeß mit Kohle (Koks) teuer war.

Mitch Steele in India Pale Ale:
Mit dem Einsatz von Coke (Koks, gepresste Kohle) in der Mälzerei wurde es im späten 17. Jahrhundert möglich pale malt herzustellen. Mit coke waren niedrigere Darrtemperaturen als mit Holz möglich. Das Malz konnte so heller und ohne Raucharomen gedarrt werden.

Gruß
Peter
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Ein Bayer ohne Bier ist ein gefährlich Thier!

https://biergrantler.de
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hufpfleger
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Re: Malze aus historischen Rezepten

#13

Beitrag von hufpfleger »

Hallo Andy,

es gibt ein Buch, Lehrbuch der rationellen Praxis der landwirtschaftlichen Gewerbe von 1859, da wird Bierbrauen ( außerdem die Branntweinbrennerei, die Sprit-, Hefe-, Liqueur-, Essig-,Senf-,......fabikation, Brotbacken.....)"seeeehr langatmig" beschrieben. Das Buch hat über 650 Seiten.
Hier werden auch verschiedene Darrenausführungen mit ihren Vor- und Nachteilen beschrieben. Die unterscheiden in gelbes (blasses), bernsteinfarbenes (dunkelgelbes) und braunes Malz. Die Farbe bezieht sich auf das Malz sebst und das daraus zu erzielende Bier. Die Temperatur läßt sich nicht genau festlegen, da sie sich auf "ein Gemenge von stärker und weniger stark gerösteten Malzkörnern bezieht. Das Malz für die bayrischen Biere wird bei einer Temp. von 70-80° R (????) geröstet, wobei man in München bis auf 100° R geht.
Wäre für dich bestimmt interessant.
Gruß Dieter

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Ladeberger
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Re: Malze aus historischen Rezepten

#14

Beitrag von Ladeberger »

Hier sind ja echt viele Historiker unterwegs, Hut ab!

Mein historisches Rezept (Mannheimer Bier) hatte wohl nur um die 2-3%vol Alkohol, das erlaubt sicher viel dunkles Malz ohne dominant zu werden. Es wird im Glas als braun, aber "durchsichtig" beschrieben. Über 40-50 EBC darf es daher wohl nicht landen. Vermutlich starte ich einen ersten Versuch mit Pilsener Malz im Ofen und mach eine Farbreihe wie auf Brewing Beer The Hard Way.

Vor April werde ich aber wohl leider nicht dazu kommen, wenn ich in meinen Terminplan schaue :crying

Gruß
Andy
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