Karbonisierung im Kühlschrank oder bei Zimmertemperatur?

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Währingergenießer1
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Karbonisierung im Kühlschrank oder bei Zimmertemperatur?

#1

Beitrag von Währingergenießer1 »

Hallo,

ich braue zusammen mit ein paar Freunden seit ca. einem Jahr Bier. Kürzlich sind wir von Flaschen auf Kegs umgestiegen und karbonisieren mittels Zwangskarbonisierung. In einem Artikel von Malzknecht habe ich gelesen, es sei am besten, für eine Woche bei Zimmertemperatur zu karbonisieren und das Bier erst danach einzukühlen. Würde man das Bier direkt nach dem Abfüllen kaltstellen, hätte das einen negativen Einfluss auf die Reifung des Bieres, so der Artikel. Der Abbau von Gärnebenprodukten laufe bei Kühlschranktemperaturen deutlich langsamer ab (Verdoppelung der Reaktionsgeschwindigkeit je 10°C Temperaturerhöhung).

Die Argumentation ist meines Erachtens durchaus schlüssig. Aber wenn das Bier sowieso einige Wochen im Kühlschrank verweilen sollte, bevor es getrunken wird, kann die Reifung doch ruhig auch etwas langsamer ablaufen. Oder wird die Reaktionsgeschwindigkeit derart stark gedrosselt, dass das Bier selbst nach diesem Zeitraum noch "unfertig" schmeckt?

Was für Erfahrnungen habt ihr in diesem Zusammenhang gemacht? Vielleicht hat jemand ja beide Methoden schon einmal probiert und kann von den Ergebnissen berichten. Hier noch der Link zum Artikel: https://malzknecht.de/besser-brauen/tip ... -erklaert/

LG und Vielen Dank für eure Antworten,

Währingergenießer
Zuletzt geändert von Währingergenießer1 am Freitag 10. Oktober 2025, 23:54, insgesamt 1-mal geändert.
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afri
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Re: Karbonisierung im Kühlschrank oder bei Zimmertemperatur?

#2

Beitrag von afri »

Das kommt nach meiner Meinung darauf an ob Zwangscarbo ebenso langsam ist wie Speise- oder Zuckermethode. Bei letzteren muss man ja die Nachgärung bzw. deren Ende abwarten, währenddessen bildet sich CO2 langsam und kann sich langsam einbinden. Wenn man zwangscarbonisiert ist die Gärung abgeschlossen, darauf muss also nicht gewartet werden. Ist die Einbindung von CO2 unter Zwang schneller, kann das Fass also auch eher in den Kühli.

Die eigentliche Reifung ist von der Carbo unabhängig, denke ich. Abbau von Jungbierbukett ist sicher noch das beste Argument für Lagerung bei RT, ebenfalls unabhängig von Reife und Carbo.
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emjay2812
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Re: Karbonisierung im Kühlschrank oder bei Zimmertemperatur?

#3

Beitrag von emjay2812 »

Nachgärung sollte bei Zimmertemperatur erfolgen, da bauen sich schneller unerwünschte Aromen ab. Z. B. Diacethyl. Danach in die Kaltreifung
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Taim
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Re: Karbonisierung im Kühlschrank oder bei Zimmertemperatur?

#4

Beitrag von Taim »

emjay2812 hat geschrieben: Freitag 10. Oktober 2025, 21:40 Nachgärung sollte bei Zimmertemperatur erfolgen, da bauen sich schneller unerwünschte Aromen ab. Z. B. Diacethyl. Danach in die Kaltreifung
Ich glaube, es geht hier nicht um die Nachgärung zur Karbonsierung mit Zucker o. ä.
Die Frage ist, sollte man ein endvergorenes und zwangskarbonisiertes Bier noch „warmlagern“ oder direkt in den Kühlschrank.
Bzw. kommt geschmacklich das gleiche raus, wenn man das Bier eine Woche warm und verkostet wird oder vier Wochen kalt lagert und dann verkostet wird?
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Re: Karbonisierung im Kühlschrank oder bei Zimmertemperatur?

#5

Beitrag von Sauppi »

Der Artikel hat insofern recht, dass viele für die Reifung notwendige biochemische Prozesse in kühlen Temperaturen langsamer ablaufen. Da das Bier aber ohnehin einige Wochen kühl reifen soll, macht das keinen Unterschied. Umgekehrt hast du bei der Reifung bei Raumtemperatur die Gefahr, dass aus der Reifung letztlich eine künstliche Alterung wird.
Gehen wir z.B. von einem Lagerbier aus, das du nach erfolgter Diacetylrast abgefüllt hast. Dann ist da schon ein Großteil an unerwünschten Gärnebenprodukten abgebaut. Eine zusätzliche Woche bei Zimmertemperatur, um dann sowieso wieder im Kühlschrank zu landen, sorgt nur für unnötige Temperaturschwankungen.
Bei einem obergärigen Bier, das ohnehin bei Raumtemperatur ausgären durfte, ist sowieso kein Vorteil zu erkennen.
Mit anderen Worten: Bei mir landet jedes Bier nach der Gärung im Keg und wird direkt auf 2-3 Grad gekühlt. Ebenso verfahren Brauereien mit ihren Lagertanks.
Zur Karbonisierung: Zwei Wochen, bevor das Bier voraussichtlich fertig gereift sein dürfte, hänge ich das an die Gasleitung, wodurch es gemächlich aufkarbonisiert. Zwischendurch eine Probe zu nehmen, schadet natürlich auch nicht.
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Re: Karbonisierung im Kühlschrank oder bei Zimmertemperatur?

#6

Beitrag von Malzknecht »

Ist ist ein kompliziertes Thema und es gibt mehrere Ansätze. Im Buch Bier Brauen von Jan wird da auch noch einmal drauf eingegangen. Du kannst halt auch eben ein Lagerbier kalt vergären und dann auch kalt belassen in der Reifung. Es entstehen weniger Stoffe, die dann auch nicht abgebaut werden müssen. Deswegen macht die Industrie das auch häufig so.

Wir Hobbybrauer sind aber nicht so gut darin, alle Parameter der Gärung für eine perfekte Gärung zu steuern, weshalb sich für uns eine warme Reifung zum Abbau aller unnötigen Stoffe empfiehlt.

Wenn du jetzt dein Lager direkt nach der Gärung (inkl. 2 Tage Diacytylabbau) direkt kalt schickst, kann es sein, dass du noch Schwefelwasserstoffe oder Acetaldehyd drin hast. Klar, das geht auch kalt irgendwann weg, da die UG Hefe ja auch kalt arbeiten kann, dauert aber viel länger.

Es gibt ja den Spruch, dass Hobbybrauer Biere immer 6 Monate lagern sollten. Vielleicht erklärt diese Diskussion warum :-)
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DevilsHole82
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Re: Karbonisierung im Kühlschrank oder bei Zimmertemperatur?

#7

Beitrag von DevilsHole82 »

Malzknecht hat geschrieben: Dienstag 14. Oktober 2025, 07:50 Es gibt ja den Spruch, dass Hobbybrauer Biere immer 6 Monate lagern sollten. Vielleicht erklärt diese Diskussion warum :-)
Und ein gutes gezapftes Bier braucht 7 Minuten. Und der Zapfdruck muss auf 0,8 bar eingestellt werden. Und Spinat darf man am nächsten Tag nicht mehr aufwärmen.

Bitte aufhören mit diesen Pauschalaussagen :puzz

Übrigens gärt die Industrie, bspw. Krombacher ihr Pils bei ca. 13°C unter Druck und füllt nach nur 7 Tagen ab. Da ist dann nix mit langer oder kalter Lagerung/Reifung, Diacetylabbau oder so.

Andere Brauereien mit oder ohne Slow Brewing Zertifikat aus meiner Umgebung gären offen mit anschließender fünfwöchiger Lagerung bei 1°C. Danach erfolgt Filtration und Abfüllung.

Wer meint er müsse seine Hobbybrauer-Biere 6 Monate reifen lassen bis sie schmecken, der macht meiner Meinung nach was falsch.

Um die Frage des Thread-Erstellers zu beantworten: Der Vorteil der Zwangskarbonisierung im Kühlschrank liegt in der Physik. Bei niedrigerer Temperatur brauchst Du weniger Sättigungsdruck bei gleicher Menge CO2. Wenn Du bei 5°C ca. 5 g/l CO2 im Bier haben willst benötigst Du ca. 0,9 bar. Bei Zimmertemperatur (22°C) schon 2,2 bar. Bei eingestellten Sättigungsdruck dauert es aber auch eine Ewigkeit bis sich die gewünschte Menge im Bier gebunden hat. Um das zu beschleunigen stellst Du den Druck höher, was bei Zimmertemperatur schon im Grenzbereich des Druckminderes liegen kann. Du musst allerdings den Zeitpunkt der Sättigung abpassen.

Ich gehe da ein bisschen anders vor. Hier am Beispiel meiner 30er KEGs:
1. Gärende abwarten.
2. Ins Keg Abfüllen, dabei ca. 1,5-2% Kopfraum lassen.
3. Sättigungsdruck für Gärtemperatur ausrechnen und an CO2 Flasche einstellen.
4. Fass mit Sättigungsdruck beaufschlagen und CO2 Flasche angeschlossen lassen. Ich habe dafür einen Zapfkopf so umgebaut, dass ich über den Bieranschluss CO2 anschließe und am CO2 Anschluss mit umgedrehten Lippenventilen ein Manometer mit Überdruckventil habe.
5. Fass so lange leicht schwenken bis man kein CO2 mehr rauschen hört. Dauert so ca 5-10 Minuten.
6. Fass in Kühlschrank stellen. Spezial-Zapfkopf drauf lassen und Ventil schließen.
7. Am nächsten Tag den Druck kontrollieren. Ist er weit unter Sättigungsdruck, lass ich mit 3 bar CO2 laufen bis es aufhört zu rauschen.
8. Abwarten bis Druck gesunken ist und Vorgang so lange wiederholen bis Sättigungsdruck erreicht ist. Bei mir ca. 3x. Dabei den Überdruck mit Gefühl anpassen. Wenn nur noch 0,1 bar bis Sättigungsdruck fehlen muss man nicht wieder mit 3 bar nachdrücken.
Gruß, Daniel

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Re: Karbonisierung im Kühlschrank oder bei Zimmertemperatur?

#8

Beitrag von Colindo »

DevilsHole82 hat geschrieben: Dienstag 14. Oktober 2025, 09:53 Und ein gutes gezapftes Bier braucht 7 Minuten.
Ein wenig Off-Topic, aber vor kurzem habe ich herausgefunden, dass die Angabe von 7 Minuten aus der Zeit kommt, als man mehrstufig zapfte. Hier beim dreistufigen Zapfen im Schweizerhaus in Wien gilt das immer noch https://www.youtube.com/shorts/TkueTL5A1WQ

Es gibt auch noch mehrstufiges Zapfen in England, wo eine ähnliche Zeit genannt wird.
Auf Youtube: The British Pint
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