Vorweg:
Ich möchte hier bitte nicht über Sinn oder Unsinn bezüglich Ermittlung, Interpretation und/oder Verwendung der Sudhausausbeute diskutieren(-> Ok, PopCorn & Chips sollte man aber parat haben).
In letzter Zeit sind mir vermehrt threads unter die Augen gekommen, die sich mit Extrakverlusten aller Art auseinandersetzen.
In diesem Beitrag geht es mir ganz allgemein darum festzustellen, wo denn die größten Extraktverluste bei der Würzebereitung auftreten, welche Auswirkungen bestimmte Maßnahmen auf die Ausbeute haben, wo die Grenzen für uns Hobbybrauer liegen und wo ggf. ein zwanghafter Extraktgewinn teuer(Geld, Zeit, Nerven, Qualität) bezahlt werden muss.
Wer sich also irgendwann mal' auf die Suche nach seinen Extraktverlusten begeben möchte, darf gerne weilterlesen.
Info:
Wenn ich hier von Ausbeute oder Sudhausausbeute rede, ist damit die Kaltwürzeausbeute[1] SAkalt[%] gemeint. Sind andere Arten von Ausbeuten gemeint, werden diese explizit benannt.
Da wir auf der Suche nach Extraktverlusten sind, werden die ganzen Beispiele in Bezug auf kg Extrakt berechnet. Wie man aus Liter Würze oder kg Malz den zugehörigen Extraktwert in kg berechnet, zeige ich hier kurz:
kg Extrakt aus kg Malz (Frm1)
kg Extrakt = Malz{kg] x Malzextrakt lufttrocken[%] / 100
kg Extrakt aus Liter Würze (Frm2)
kg Extrakt = Würze{l] x Stammwürze[GG%] x relative Dichte20/4 / 100
Berechnungsparameter:
Malzextrakt lufttrocken[%] ist ein Malz-Analysenparameter[2] den man im Chargenbezug am besten beim Mälzer oder Händler hinterfragt. Für unsere Basismalze und über die Jahrgänge hinweg, kann man für diesen Wert sinnvolle Annahmen treffen. Im Schnitt liegt dieser Wert für Basismalze bei 78 - 79 %, für sehr dunkle und Farbmalze etwa 2-4 % und für Cara-Malze ca. 1-3 % darunter.
Dichte20/4 wird hier gerne als SG bezeichnet[10]. Dieser (relative)Dichtewert dient zur Umrechnung der Stammwürze GG%[3] in Stammwürze GV%[4]. Diese (relative)Dichte kommt auch im Zähler zur Berechnung der Sudhausausbeute[1] vor. Zur Extrakmengenermittlung ist die Umrechnung von GG% in Volumenprozent GV% mittels (relativer)Dichte nötig, da die Würzemenge gemessen und nicht gewogen wird). Siehe auch Platotabelle[5]
I. Vorüberlgung zum Extraktverlust
Es macht Sinn sich eimalig eine Extraktbilanz zurechtzulegen, die die Einsatzmengen an Extrakt den Gewinnmengen an Extrakt und den Verlustmengen an Extrakt gegenüberstellt. Da sich Extrakt nicht in Luft auflösen kann, muss auch solch eine Bilanz am Ende aufgehen. Drängt man solch eine Extraktbilanz in einen technologischen Rahmen, könnte das so aussehen:
Extrakteinsatz gesamt [kg] = Extrakt gewonnen [kg] + Extrakt in Heißtrub und Hopfentreber [kg] + Extrakt im Glattwasser [kg] + Extrakt in den Trebern und Treberwasser [kg]
Extrakteinsatz gesamt [kg] ist der Extrakteintrag durch die Schüttungskomponenten, Extrakt gewonnen [kg] stellt die Zugangsmenge kalte Würze(im Gärkeller) mit ihrer Stammwürze dar. Die anderen Größen sprechen für sich selbst. Für die weitere Betrachtung soll diese o.g. Extrakbilanz als Vorlage dienen.
Damit wir ein wenig mit den Zahlen spielen können, hier ein Beispielrezept.
II. Beispielrezept
Zielwerte Fertigbier:
- Stammwürze: 12,00 %mas
- Menge: 25,00 l
- Hauptguss HG: 20 l
- Nachguss NG: 13 l
- HG:NG: 1:0,64
- Schrot:HG: 1:4
- 5,00 kg
- SA kalt: 62,8 % (Kaltwürzeausbeute, siehe hier )
- Annahme für den durchschnittlichen Malzextrakt lufttrocken dieser Schüttung: 78 %
Mit diesen paar Zahlen lassen sich schon die wesentlichen Teile einer/der Extraktbilanz berechnen:
III. Extraktbilanz berechnen: Extrakteinsatz gesamt [kg], Extrakt gewonnen [kg], Extrakt Gesamtverlust [kg]
Extrakteinsatz gesamt [kg] = 5 kg Schüttung x 78 % M.Extr.lftr / 100 = 3,9 kg Extrakt
Extrakt gewonnen [kg] = 25 l kalte Würze x 12 °P x 1,04646 / 100 = 3,14 kg Extrakt
(-> Formelwerk Frm1, Frm2)
In Worten: 3,9 kg Extrakt haben wir auf die Reise geschickt und 3,14 kg Extrakt sind im Gärkeller angekommen. Der Rest ist erst einmal weg - wohin ? ... werden wir noch sehen.
Der Gesamtverlust an Extrakt beträgt damit:
3,9 kg - 3,14 kg = 0,76 kg Extrakt oder in % ausgedrückt: 0,76 kg Extrakt x 100 / 3,9 kg Extrakt = 19,5 %
0,76 kg Extraktverlust hört sich erst mal nicht nach viel an. Wir rechnen das mal um in kg Malz:
0,76 kg Extrakt / 78 % M.Extr.lftr x 100 = 0,97 kg Malz
(-> Formelwerk Frm1 umgestellt nach Malz{kg])
Kauft man sich "Malz geschrotet", entspricht 0,97 kg Malz rund 2€ - nicht wirklich eine große Nummer für 25 Liter Bier. Ändert man den Blickwinkel ein wenig, stellen sich die berechneten Extraktverluste auch für uns Hobbybrauer so dar, dass jeder 6. Sud nach diesem Rezept gebraut, gänzlich auf Kanal[6] läuft.
IV. Extraktbilanz berechnen: Extraktverlust [kg] durch die Abtrennung von Glattwasser
Als Glattwasser bezeichnet der Brauer die letzte Teilmenge des Nachgusses, die meist ungenutzt auf Kanal [6] läuft. Je nach Glattwassermenge und Glattwasserkonzentration, geht bei der Abtrennung des Glattwassers auch Extrakt verloren. Damit man mal' ein Gefühl dafür bekommt, wie viel Extrakt das ist, muss ein Beispiel herhalten:
Am Rezeptbeispiel festgemacht wird angenommen, dass ab 6 °P nichts mehr in die Pfanne läuft und das 4 L Glattwasser auf Kanal laufen. Nehmen wir weiter an, dass sich in der aufgefangenen Glattwassermenge von 4 L am Ende ein Stammwürzegehalt von 5 °P einstellt.
Die 4 L Glattwasser machen immerhin rund 30 % des Nachgusses aus und diese 4 L sind in der Extraktkonzentration recht hoch. Wenn man so möchte ist dieses Beispiel so gewählt, dass man einen "erhöhten/gewissen" Extraktverlust auf Kosten der "Nachgußqualität" gerne in Kauf nimmt. Für dieses großzügig gewählte Beispiel ergibt sich ein Extraktverlust von:
Glattwasserextrakt{kg] = 4 L x 5 °P x 1,0179 / 100 = 0,2 kg Extrakverlust durch die Abtrennung von Glattwasser.
0,2 kg Extrakt gehen durch die Abtrennung des Glattwassers verloren. In % ausgedrückt, hat der Glattwasserverlust einen Anteil am Gesamtextraktverlust von:
0,2 kg Extrakt im Glattwasser x 100 / 0,76 kg Extrakt Gesamtverlust = 26,3 % Extraktverlust durch Glattwasser.
Trotz großzügiger Abtrennung des Glattwassers, sind erst ~ 25 % des Extraktverlustes für dieses Beispiel erklärt. Wir suchen weiter.
V. Extraktbilanz berechnen: Extraktverlust [kg] durch die Abtrennung von Heißtrub
Hier wird es jetzt einigermaßen kompliziert. Eine Menge "Heißtrub" kann alles mögliche sein und sie setzt sich, je nach Brausorte, Verfahren, Rezept, ...., aus allem möglichen zusammen. Man darf aber annehmen, dass diejenigen Würzeanteile die mit den Heißtrubpartikeln in Verbund stehen einer Extraktkonzentration entsprechen, die man für eine Kaltwürzekonzentration ermittelt hat. Der Würzeanteil, der durch die Heißtrubabscheidung verloren geht, hat dem nach und für das Beispielrezept, eine Extraktkonzentration von 12 °P.
Weiter wird in einschlägiger Literatur für 1 L Heißtrub eine extraktfreie Trockensubstanz von 0,4 - 0,8 g/L angegeben. Weil wir Hobbybrauer sind und den Heißtrub gerne mal' etwas großzügiger abtrennen, gehe ich im folgendem Beispiel von einer extraktfreien Trockensubstanz im Heißtrub von 0,3 g/L aus. Eine gemessene Heißtrubmenge wird für das Beispiel mit 2 L, ebenfalls großzügig, festgelegt. Für eine Extraktbilanz ergibt sich für den Heißtrub:
2 L Heißtrub bei 78 °C x 0,97455 = 1,95 L Heißtrub bei 20 °C
Kaltwürzmenge L in Heißtrub = 1,95 - (1,95 x 0,3 ) = 1,37 L Kaltwürze in Heißtrub
Heißtrubextrakt{kg] = 1,37 L x 12 °P x 1,04646 / 100 = 0,17 kg Extraktverlust durch die Abtrennung von Heißtrub.
0,17 kg Extrakt gehen durch die Abtrennung des Heißtrubes verloren. In % ausgedrückt hat der Heißtrubverlust einen Anteil am Gesamtextraktverlust von:
0,17 kg Extrakt im Heißtrub x 100 / 0,76 kg Extrakt Gesamtverlust = 22 % Extraktverlust durch Heißtrub.
Trotz großzügiger Abtrennung des Heißtrubs, sind erst weitere ~ 22 % des Extraktverlustes für dieses Beispiel erklärt. Wir suchen weiter.
Anmerkung:
Extraktverluste durch sehr hohe Hopfengaben, die sich u.U. im Heißtrub als Hopfentreber wieder finden, sind im Beispiel nicht berücksichtigt.
VI. Extraktbilanz berechnen: Extraktverlust [kg] durch den Treberaustrag
Die Extraktverluste in den Trebern sind bestimmt durch den "auswaschbaren Extrakt" und den "noch aufschließbaren Extrakt"[7]. Während der "auswaschbare Extrakt" durch die Läuterarbeit beeinflusst wird(-> Gußführung), bestimmt sich der "noch aufschließbaren Extrakt" durch die Malzqualität, durch die Schrotqualität und durch die Maischarbeit.
Aus Sicht des Hobbybrauers gilt für den "auswaschbaren Extrakt", dass durch die Erhöhung der Nachgussmenge und durch das vollständige Abtrennen der Vorderwürze vor der Aufbringung des 1. Nachgusses, die Auswaschbare-Extrakt-Verslustmenge reduziert werden kann.
Für den "noch aufschließbaren Extrakt" sieht es ziemlich finster aus. Die Malzqualität lässt sich so gut wie gar nicht beeinflussen, die Schrotqualität nur bedingt (Malz geschrotet gekauft, u.U. keine wirklich gute Mühle, die Anlage verlangt zur Funktionstüchtigkeit "Grobschrot", ... usw. ) und die Wahl des Maischverfahrens wird diesbezüglich ohnehin überschätzt. So bestehen zwischen Infusions- und Dekoktionsverfahren im Bereich der Chemisch-Technischen-Analysenwerte nur geringe bis gar keine Unterschiede. Auswirkungen des Dextrinaufschlusses auf das Spektrum der vergärbaren Zucker werden nicht gefunden. Glucose, Maltose und Maltotriose sind im Vergleich und in ihren Mengen absolut identisch.
Auch der nichtvergärbare Zuckeranteil nimmt durch thermische Aufschlüsse(Dekoktionsverfahren) nicht so weit zu, als das man sie genau genug an einer Bierspindel ablesen könnte. Es kann generell gelten, dass mit zunehmender schlechten Malz- und/oder Schrotqualität, die Einflussnahme auf den Extraktgewinn durch das Maischverfahren abnimmt [8].
Im Rahmen dieser weiten gestreuten Abhängigkeiten lassen sich für uns zur Berechnung von Extraktverlusten im Treber kaum sinnvolle Annahmen treffen - Ist-Werte sind ohnehin nicht verfügbar. Was man aber machen kann ist, dass man vom bekannten Gesamt-Extrakverlust die bekannten Verlustmengen subtrahiert und dann schlussfolgert, dass die so berechnete Verlustmenge an Extrakt im Treber stecken muss. Es ergibt sich für die Treberverluste:
Treberverlust [kg] = Gesamtextraktverlust [kg] - Heißtrubextraktverlust [kg] - Glattwasserextraktverlust [kg]
Treberverlust {kg] = 0,76 kg Extrakt Gesamtverlust - 0,17 kg Heißtrubextraktverlust - 0,2 kg Glattwasserextraktverlust = 0,39 kg Extraktverlust durch die Treber
0,39 kg Extrakt gehen mit dem Treber verloren. In % ausgedrückt hat der Treberverlust einen Anteil am Gesamtextraktverlust von:
0,39 kg Extrakt im Treber x 100 / 0,76 kg Extrakt Gesamtverlust = 51 % Extraktverlust durch den Treber.
VII. Extraktbilanz berechnen: Abschlußbetrachtung
Für das konstruierte Beispiel ergeben sich, in % ausgedrückt und gerundet, die Extraktverluste wie folgt:
- Gesamtverlust 100 %
- Glattwasserverlust 25 %
- Heißtrubverlust 23 %
- Treberverlust 52 %
Wer ein wenig mit Trub- und Glattwassermengen im Rechenwerk rumgespielt hat wird feststellen können, dass vor allem die Einzelposition Treber eine führende Rolle spielt.
Ganz transparent kommt das zum Vorschein, wenn man das Beispiel in IV. hinsichtlich der Glattwassermenge und der Glattwasserkonzentration, bei gleicher Ausbeute, etwas modifiziert. Für das modifizierte Beispiel laufen keine 4 L mehr auf Kanal, sondern nur noch 2 L und die Glattwasserkonzentration dieser 2 L wird von 5 °P auf 2,5 °P reduziert. Diese Maßnahme suggeriert erst einmal einen "Extraktgewinn" - es läuft mehr Extrakt in die Pfanne. So weit richtig.
ABER: bleibt die Ausbeute trotzdem in der Nähe des angenommen Rezeptwertes von ~ 63 % oder tendiert nur geringfügig nach oben, haben sich durch die Erhöhung der Nachgussmenge oder besser, durch das weniger großzügige Abtrennen einer Glattwassermenge, nur die Extraktverluste in eine andere Ecke verschoben. Für modifizierte Beispiel sieht die Extraktbilanz in etwa so aus:
- Gesamtverlust 100 %
- Glattwasserverlust 7 %
- Heißtrubverlust 23 %
- Treberverlust 70 %
Am Ende steht man mit einer erhöhten Pfanne-voll-Menge, mit erhöhten Mengen an "unedlen Extrakt", einer längeren Suddauer und einem erhöhtem Energieaufwand da - und das ohne wirklichen Zugewinn an Extrakt.
Man darf ganz grob davon ausgehen, dass eine Erhöhung der Kaltwürzeausbeute um 1 % einem Extraktgewinn von ca. 0,2 °P in der Anstellwürze entspricht(bei gleicher Schüttung). Ist dieser Zugewinn an Extrakt aber dadurch erkauft, dass länger geläutert- und gekocht werden muß, mehr Energie benötigt wird und mehr "unedler Extrakt" in der Pfanne landet, lohnt sich vielleicht ein Blick auf eine andere Strategie.
Der "Treber" gibt den Extrakt leichter her, wenn die Schrotzusammensetzung passt. Optimiert man die Schrotzusammensetzung, optimiert man nicht nur die "Extraktmenge", sondern auch die "Extraktqualität". Flankierend verkürzt sich die Suddauer und der Energieeinsatz reduziert sich.
Also: ran' an die Schrotzusammensetzung

Gruß
Oli
[1] Heißwürzeausbeute, Kaltwürzeausbeute, OBY(overall brewhouse yield) und Efficiency
[2] Brau!magazin, Ausgabe Winter 2014/15 - Lesen und beurteilen einer Malzanalyse
[3] GG % : Gewichts/Gewichts % [g/100g]. In der Literatur findet man für GG% auch die Angabe % mas(Massenprozente)
[4] GV % : Gewichts/Volumen % [g/100ml] oder Gemischt %)
[5] Die Stammwürze im Detail
[6] auf Kanal gelaufen: umgangssprachliches Brauerlatein. Ein unbestimmtes Maß an Würze- oder Biermengen, die mehr oder weniger glücklich verloren gegangen sind. Sind die Umstände für solch einen Verlust eher unglücklich, darf man sich in engen Kreisen für solch ein Mißgeschick auch gerne damit entschuldigen, dass es sich bei der verlustig gegangen Menge jediglich um einen "Schluck für einen toten Brauer" handelt. Generell gilt aber: was auf Kanal gelaufen ist, ist unwiederbringlich verloren.
[7] MEBAK, Brautechnische Analysenmethoden, Band II, 1.4.3 Auswaschbarer oder löslicher Extrakt, 1.4.4 Aufschließbarer Extrakt (EBC-Methode)
[8] Habilitationsschrift Entwicklung innovativer Technologien zur Optimierung der Würze- und Bierqualität, Dr.Ing. Martin Krottenthaler, 26.02.2007
[9] Download Exeltabelle zum "rumspielen" mit eigenen Werten: [10] SG, Specific Gravity (relative Density): Eine dimensionslose Einheit definiert als ein Verhältnis zwischen der Dichte einer bestimmten Substanz und der Dichte von Wasser bei einer bestimmten Temperatur. Die bestimmte Temperatur für Wasser wird für SG mit 4°C angenommen. Zitat(engineeringtoolbox.com): "...it is common to use the density of water at 4 °C (39°F) as a reference since water at this point has its highest density of 1000 kg/m3 ". Gemeingefällig versteht der angloamerikanische Brauer unter SG also das, was der deutsche Brauer entlang der Wertspalte "Dichte 20/4" innerhalb der Platotabelle versteht.