es gibt nichts Schöneres als Brauen, aber gleichzeitig wachsen die Ansprüche immer weiter und das hehre Ziel – 50 Liter perfektes, untergäriges Helles zu brauen – ist immer noch unerreicht. Die bisherigen Versuche haben zwar durchaus trinkbare Ergebnisse zustande gebracht, aber irgendwo fand sich doch immer wieder ein kleines Detail im Geruch oder Geschmack, welches sich der Perfektion entgegen stellte. Ich bin mir zu 99,9% sicher, dass diese Fehler alle dem Hefemanagement, bzw. der Gärführung zuzuschreiben sind und genau da möchte ich ansetzen.
Da sich in diesem Forum besonders in letzter Zeit einiges an äußerst vertrauenswürdigem Fachwissen diesbezüglich gesammelt hat, gilt es dieses nun in die Praxis umzusetzen. Grundlage für das Vorhaben soll ein äußerst simples Rezept für ein helles Lager nach münchner Brauart sein: mit 100% Pilsner Malz auf 11,8° Plato, 20 IBU mit Magnum und Saaz (VWH). Als Brauwasser dient Osmosewasser, welches mit CaCL und CaSO aufgesalzen wird. Als Hefe soll die Wyeast 2308 Munich Lager herhalten. An frische Brauereihefe komme ich hier leider nicht ran, daher gilt es eine vernünftige Propagation zu betreiben. Als Grundlage für die Planung dieser habe ich mich der bekannten Tools von Brewers Friend und MrMalty bedient, aber auch die Ausführungen von Ulrich miteinbezogen, die besonders bzgl. der Vermehrungsraten und der erreichbaren Hefezellzahl im Starter gewisse Grenzen setzen. So könnte ich – wenn ich mich auf den Rechner von Brewers Friend verließe, die Hefe für einen 50 Liter Sud allein mit Startern von max. 5 Liter herstellen. Jedoch würde das eine Hefezellzahl von > 240 x 10^6 HZ/ml im letzten Starter voraussetzen, was laut Ulrich weder realistisch erreichbar noch empfehlenswert ist.
Ich habe also solange mit den Werten gespielt, bis ich einen Plan gefunden habe, der mit allen gängigen Theorien funktionieren würde und relativ nahe an den vom Hefeexperten empfohlenen Idealwerten ist. Ein gewisses Equipment ist dazu jedoch erforderlich. Mir stehen im Moment zur Verfügung:
- 1x1L, 1x2L und 1x3L Erlenmeyerkolben nebst passenden Rührfischen
- 2 Magnetrührer (selbst gefrickelt: Kosten insgesamt ca. 30€ + eine alte Festplatte)
- Würze bzw. Malzextraktpulver
Der Plan ist folgender:
1. Starter mit 1 Liter 9° Würze auf dem Magnetrührer. Da wir nicht genau wissen, in welchem Zustand die Hefe im Beutel ist, fangen wir mit einem kleinen Starter an. Je nach dem sollte uns das auf irgendwas zwischen 65-150 Milliarden aktiver Zellen bringen.
2. Nach 24-72 Stunden werden weitere 4 Liter Würze aufbereitet. Der 1-Liter Starter wird nun mit der abgekühlten Würze vermischt (ohne zu dekantieren) und in die beiden Erlenmeyerkolben zu 3 und 2 Liter anteilig verteilt. Nach 72 Stunden auf dem Magnetrührer sollten wir danach insgesamt über 375-650 Milliarden aktive Hefezellen verfügen. Das entspricht dann einer Vermehrungsrate von 3,5 – 10. Als optimal gilt eine Vermehrungsrate im letzten Starter von 6-8. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass ich im optimalen Bereich lande.
Leider werden wir nie wissen wie viel es wirklich sind. In jedem Fall reicht die Menge nicht für 50 Liter aber durchaus um 25 Liter Würze anzustellen (15 Millionen Zellen/ml im schlechtesten Fall). Ich gebe die 5 Liter Anstellhefe nun in die Kühlung bei 6° für 48h, damit sich die Hefe absetzt. In der Zwischenzeit werden am 2. Tag die 50 Liter gebraut. 25 Liter kommen direkt ins Gärfass, während ich die anderen 25 Liter in ein anderes Gefäß gebe und in den „Reifekeller“ (eine Truhe mit UT-200 bei 2°C) verfrachte. Die 25 Liter im Gärfass weden un auf 9°C gekühlt und mit Aquarienpumpe samt Sterilfilter belüftet. Der Starter wird nun dekantiert und angestellt. Wenn alles gut gegangen ist, sollte die Hefe nach 12 Stunden ankommen. Nach 24h sollte sich der Sud in den Hochkräusen befinden und sich die Hefemenge verdoppelt haben. Die Temperatur lasse ich dabei auf 10°C kommen. Die restliche Würze nehme ich nun aus der Kälte, warte, bis sie sich auf 10°C erwärmt hat und gebe sie zu dem gärenden Sud, möglichst ohne weiteren Sauerstoff einzubringen.
Geplant ist, die Gärung für ein paar Tage auf 10°C laufen zu lassen und dann (bei unter 5,5° scheinbarem VG ) ins Nachgärfass zu geben. Die Temperatur lasse ich anschließend langsam auf 13° kommen. Geschmacksproben werden dann entscheiden, ob ich mit der Temperatur weiter hochgehe und wann ich ins Reifefass umdrücke und bei 2° lagern lasse.
Soweit der Plan; wenn die anwesenden Experten weitere Tipps/Verbesserungsvorschläge haben, immer her damit. Besonders bzgl. der Warmreifung habe ich noch Zweifel, inwiefern sich die verschiedenen Stàmme verhalten. Leider geben die Hersteller nicht gerade viele Infos raus. Ich werde dann über die Ergebnisse berichten. Es wäre schön eine gute, reproduzierbare Standardprozedur für untergäriges Brauen zu haben. Ich bin mir sicher, dass das nicht nur mir das Leben leichter machen würde, weswegen ich das Experiment hier mit euch teilen möchte.
Update 1 vom 11.2.
Die Hefe ist heute eingetroffen. Herstellungsdatum 19.11.2014...

Wie auch immer, wir wollen ja propagieren! Im besten Fall sind noch 30% der Zellen am Leben, wahrscheinlich eher weniger. Daher ist mein Starer #1 mit einem Liter gut bemessen. Dazu habe ich zunächst den 1-Liter Erlenmeyerkolben samt Alufolie zum Abdecken für 60 Minuten im Backofen bei 120°C desinfiziert (Idee stammt von hier). Anschließend 100g Malzextrakt und ca. 900ml Wasser für 15 Minuten gekocht. Eine Messerspitze Hefenahrung (WYeast) kam dazu. Auch der Rührfisch wurde mitgekocht. Nach dem Abkühen im Wasserbad auf ca. 18° (Raumtemperatur 15°) habe ich den Inhalt des einige Stunden vorher "gesmackten" Beutels hinzugegeben und den Magnetrührer aktiviert. Die Geschwindigkeit (übrigens ganz einfach über ein 100 Ohm Potentiometer reguliert) so eingestellt, dass ein kleiner Sog entsteht. Mit meinem 0,15 mA-Lüfters entspricht das ca 30% Leistung.
Ich bin nicht sehr an Fotographie interessiert und besitze auch kein Smartphone, daher die miserable Qualität. Es reicht jedoch, um in 24h die Farbe zu vergleichen. Es bleibt spannend.
Update 2 vom 12.2.
Nach 25h sah es nun so aus: Man kann den Farbunterschied gut erkennen. Erste Aktivitäten in form von CO2 hatte ich bereits gestern Abend um 1:00 feststellen können. Zudem hat sich trotz ständigen Rührens eine schöne Schaumschicht von ca. 1cm gebildet. Man kann also auch auf dem Magnetrührerer erkennen, ob und wieviel Aktivität vorhanden ist.
In der Zwischenzeit hatte ich weitere 4 Liter Würze im 2l und 3l Erlenmeyerkolben zubereitet. um 19:00 habe ich dann den 1l-Starter in sehr aktivem Zustand zu dem neuen Starter hinzugegeben (entsprechend aufgeteild 400ml auf 1,6l und 600ml auf 2,4l. Das ganze sieht jetzt so aus: Die Hefeorgie geht also weiter. Die nächste Frage, die sich stellt ist, wann ich nun kalt stelle um eine 6-8-fache Vemehrung zu haben und die Hefe noch in der log-Phase ist. Die Amis sagen (also nicht irgendwelche, sondern die von White Labs und Wyeast) sagen, dass die Vermehrung innerhalb von 18-24 Stunden abgeschlossen ist aber wahrscheinlich spielen zu viele Faktoren eine Rolle, um das pauschal beantworten zu können. Jedenfalls war der erste Starter nach 25h immer noch sehr aktiv (CO2-Blasen, Schaumbildung), war allerdings beim Anstellen auch alles andere als vital. Ich werde wohl auf jeden Fall 24h warten und dann schauen, wie aktiv der Starter noch ist. Im Zweifelsfall gebe ich noch 12 Stunden drauf und dann wird volle Pulle gekühlt auf ca. 4-6°C.
Update 3 vom 13.2.
Nach 24 Stunden habe ich nun 5 Liter milchige Starterwürze mit ordentlich CO2-Aktivität. Um 16:00 hatte ich mal ein Tröpfchen abgezwackt und den Extrakt gemessen: 7,8° (Brix) von ursprüunglich 10°. D.h. es ist immer noch gut Extrakt vorhanden, damit sich die Hefe zum Schalfengehen noch mal schön aufladen kann. Das ganze steht nun bei 4°C in der Truhe und am sonntag wird gebraut

Finales Update vom 27.5.
Und zum Schluss kommt das Happy-End! Von den 50 Litern sind noch ca. 15 übrig. Das Bier war schon im April gut trinkbar, jetzt ist es einfach fantastisch. Es wurden genau die Geschmacksnoten erzeugt, die ich mir in einem Hellen münchner Art wünsche. Mein bestes Untergäriges bis jetzt

Mittlerweile habe sind zwei weitere Biere in der Reifung. Eines mit der selben Munich Lager, das andere mit der Danish Lager (für den Sommer darf es etwas trockener sein). Mittlerweile bin ich bei 3 Erlenmeyerkolben à 3 Liter und 3 Magnetrührern, so dass ich mir auch den Schritt mit dem Drauflassen spare. Zudem braue ich nun stets 8 Liter mehr, die ich nach dem Brauen einwecke (Betriebswürze). Der Aufwand hält sich auch in Grenzen, wenn man einmal ein System raus hat und es lohnt sich auf jeden Fall. Kein Vergleich mit den üblichen Trockenhefen!
