Refraktometer und Sauerbier

Antworten
Benutzeravatar
Boludo
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 19425
Registriert: Mittwoch 12. November 2008, 20:55

Refraktometer und Sauerbier

#1

Beitrag von Boludo »

Ich besitze seit Ewigkeiten keine Spindel mehr und frage mich, was denn bei Sauerbieren und Refraktometermessung Sache ist.
Die entstandene Milchsäure verändert den Brechnungsindex ja sicher auch merklich, und zwar anders als das Ethanol.
Funktionieren da die Berechnungstools überhaupt noch halbwegs zuverlässig oder kann man das vernachlässigen?
Eventuell hat ja jemand den direkten Vergleich zu Spindel und Refraktometermessung.
Es handelt sich um eine Imperial Gose mit 13°P und der Philly sour. PH hab ich noch nicht gemessen, aber die Proben schmecken ordentlich sauer und bei der Stamwürze sollte einiges am Säure zusammen kommen.

Stefan
Benutzeravatar
Johnny H
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 4187
Registriert: Donnerstag 31. Januar 2013, 22:08
Wohnort: Graz, Österreich

Re: Refraktometer und Sauerbier

#2

Beitrag von Johnny H »

Boludo hat geschrieben: Dienstag 31. Mai 2022, 16:34 [...]
Die entstandene Milchsäure verändert den Brechungsindex ja sicher auch merklich, und zwar anders als das Ethanol.
[...]
Ich kann Dir leider nicht helfen, aber ist das wirklich so? Alkohol entsteht ja im Prozentbereich. Bei einem Bier mit 5 Vol.% wären das etwa 4 Gew.%, also etwa 40g/kg. Entsteht denn ähnlich viel Milchsäure?

Hier habe ich auf die Schnelle ein paar Analysedaten gefunden:

https://hobbybrauer.de/forum/viewtopic. ... 96#p188996

Der Milchsäuregehalt scheint doch erheblich geringer zu sein, ca. eine Zehnerpotenz weniger bzw. noch darunter (höchster Wert 2,4 g/l, meist deutlich darunter).

Zur Not kann man's ja einfach mal zuhause ausprobieren: ein Kaufbier in mehreren Stufen ansäuern und den Brechungsindex messen.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
Benutzeravatar
Boludo
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 19425
Registriert: Mittwoch 12. November 2008, 20:55

Re: Refraktometer und Sauerbier

#3

Beitrag von Boludo »

Dass es viel weniger ist, ist mir schon klar. Aber wenn man mal sieht wie empfindlich die Berechnung gerade am Ende ist, könnte es doch ein wenig was ausmachen.
Dachte ich frag lieber mal nach :redhead
Benutzeravatar
Johnny H
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 4187
Registriert: Donnerstag 31. Januar 2013, 22:08
Wohnort: Graz, Österreich

Re: Refraktometer und Sauerbier

#4

Beitrag von Johnny H »

Wie gesagt, mir würde auch nur einfallen, es sicherheitshalber mal über eine Messreihe auszuprobieren. Man braucht ja nicht viel, wenn man (laut gedacht) z.B. jeweils 100g Bier mit z.B. 0,1, 0,5, 1 und 2 g/l Milchsäure versetzt (man braucht halt eine Pipette oder Waage, die fein genug ist - wobei das bei den unteren Dosierungen schon schwierig wird). Den Rest kann man dann gleich für ein sensorisches Training verwenden :-)

Aber vielleicht weiß ja jemand mehr.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
DrFludribusVonZiesel
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1894
Registriert: Dienstag 10. November 2020, 17:48
Wohnort: Wien

Re: Refraktometer und Sauerbier

#5

Beitrag von DrFludribusVonZiesel »

Ich könnte eine Flasche Berliner Weiße opfern und Messungen durchführen. Hab ein paar Exemplare mit der Philly gebraut die seit einiger Zeit im Keller stehen. Ich weiß leider nicht, ob mein pH-Meter noch zuverlässig ist, das hat mir beim letzten Sauersud 2,6 angezeigt, obwohl das theoretisch eigtl nicht möglich sein sollte...

Equipment zur Titration habe ich auch nicht, also ist auch keine zuverlässige Angabe zum Milchsäuregehalt möglich, aber eine Messung mit Spindel und Refraktometer könnte ich schon machen wenn du magst.
Best practice is practice.
JackFrost
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 3091
Registriert: Dienstag 15. Mai 2018, 18:10

Re: Refraktometer und Sauerbier

#6

Beitrag von JackFrost »

Du kannst es auch über eine Messreihe machen.

Laut https://www.aqion.de/site/ph-tabelle-organische-saeuren wird das Bier so 500 - 900 mg/l Milchsäure haben

Kauf 1l Bier und fülle das Bier in einen Masskrug und messe den pH-Wert und den Brechungsindex ( in % Brix ). Am Besten 5 Messungen und den Mittelwert notieren.
Dann gib zwei Tropfen 80% Milchsäure hinzu. Das erhöht die Menge an Milchsäure um ~100 mg/l. Dann erneut pH-Wert und Brechungsindex messen.

Wenn du dann unter dem pH-Wert von 2,9 bist, kannst du schauen ob die Änderung bei 12 Tropfen größer als zwei Skalenstriche ist oder nicht. Wenn es nur zwei oder einer sind, dann fällt das schon unter Messgenauigkeit.

Wenn es mehr sind, dann machst du das nochmal mit einem Bier das du selber gebraut hast und schaust ob die Steilheit / +50 mg/l gleich ist.

Aus den beiden Messreihen kannst du ableiten wie du korrigieren musst.

Gruß JackFrost
Meine Hardware:
eManometer
IDS2 ohne CBPi
Magnetrührer
Ss-Brewtech 10 Gal Topf
IDS2 Induktionsplatte
Benutzeravatar
Boludo
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 19425
Registriert: Mittwoch 12. November 2008, 20:55

Re: Refraktometer und Sauerbier

#7

Beitrag von Boludo »

Vielen Dank für die Tips!
Ich denk mal drüber nach :Grübel
JackFrost
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 3091
Registriert: Dienstag 15. Mai 2018, 18:10

Re: Refraktometer und Sauerbier

#8

Beitrag von JackFrost »

Ich hab zwei ältere Bier geopfert für eine schnelle Messreihe.

Jeweils 0,5l

Beim Stout hatte ich 7,6 % Brix und dann ist der Messwert bei 7,8 geblieben, von einem Tropfen bis 16 Tropfen. Macht am Ende etwa +1,5 g/l Milchsäure.

Dann hab ich ein Weissbier genommen und hier den Startwert genommen und dann nur mit Rühren. Hier ist der Wert von 6,0 auf 6,2 - 6,4 gestiegen.
Von 1 Tropfen bis 16 Tropfen war der Wert dann bei 6,2 - 6,4. Bei 32 Tropfen dann bei 6,4. Also zwischen +1,5 und +3 g/l scheint sich was zu tun.

Es sieht so aus als würde die kleine Menge Milchsäure hier noch zu keiner signifikanten Veränderung am Brechungsindex führen.

Mein Refraktometer hat einen Teilung von 0,2 % Brix.

Gruß JackFrost
Meine Hardware:
eManometer
IDS2 ohne CBPi
Magnetrührer
Ss-Brewtech 10 Gal Topf
IDS2 Induktionsplatte
Benutzeravatar
Boludo
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 19425
Registriert: Mittwoch 12. November 2008, 20:55

Re: Refraktometer und Sauerbier

#9

Beitrag von Boludo »

JackFrost hat geschrieben: Dienstag 31. Mai 2022, 20:16 Ich hab zwei ältere Bier geopfert für eine schnelle Messreihe.
Wow, danke!
Benutzeravatar
olibaer
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 2896
Registriert: Dienstag 6. April 2004, 00:49
Kontaktdaten:

Re: Refraktometer und Sauerbier

#10

Beitrag von olibaer »

JackFrost hat geschrieben: Dienstag 31. Mai 2022, 20:16 Es sieht so aus als würde die kleine Menge Milchsäure hier noch zu keiner signifikanten Veränderung am Brechungsindex führen.
Gruß JackFrost
Das denke ich auch und diese "kleine Menge Milchsäure" schmecken wir wahrscheinlich schon als "deutlich sauerer".
In weiten Teilen hängt das auch davon ab, was das Bier sonst noch so im Bauch hat - im Sinne von Restextrakt.
Mit der Absenkung des pH-Wertes werden zusätzlich Eiweißstoffe unlöslich, die als "Körper des Bieres" nicht mehr zur Verfügung stehen.

Hypothetisch könnte man annehemen, dass die Einbringung von Milchsäure zu einer weiterreichenden Veresterung von Milchsäure mit Ethanol führt. Der begleitende Alkoholverzehr wäre ebenfalls ein mögliche Ursache für einen geänderten Brechungsindex.

Ich sehe es erst mal so, dass ein "Sauerbier" unsere Analytik mit dem Refraktometer nicht aus der Bahn kegelt.
In einer Nachkommastelle kann es mal zu Verschiebungen kommen - aber was solls.
Falsche Handhabung, minderwertige Gerätschaften und eine verdrehte Interprätation der Ergebnisse haben weit mehr Durchschlagskraft.
Gruss
Oli
_____________________________
Brauwasser - hier entlang
Gärschwierigkeiten - hier entlang
Grundlagen Karbonisierung - hier entlang
Rezeptberatung - hier entlang
Google Forensuche - hier entlang
Benutzeravatar
renzbräu
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1599
Registriert: Montag 27. Juli 2020, 17:32
Wohnort: South Upperfranconian Lowlands

Re: Refraktometer und Sauerbier

#11

Beitrag von renzbräu »

olibaer hat geschrieben: Dienstag 31. Mai 2022, 21:49 Mit der Absenkung des pH-Wertes werden zusätzlich Eiweißstoffe unlöslich, die als "Körper des Bieres" nicht mehr zur Verfügung stehen.
Erklärt dieser Effekt auch die Schlankheit einer Berliner Weiße trotz hoher Schüttungsanteile an Weizen?
Grüße Johannes

- hausgebraut, handgeklöppelt & mundgetrunken -
Benutzeravatar
olibaer
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 2896
Registriert: Dienstag 6. April 2004, 00:49
Kontaktdaten:

Re: Refraktometer und Sauerbier

#12

Beitrag von olibaer »

renzbräu hat geschrieben: Dienstag 31. Mai 2022, 22:52 Erklärt dieser Effekt auch die Schlankheit einer Berliner Weiße trotz hoher Schüttungsanteile an Weizen?
Ich denke die niedrige Stammwürze, der geringe Alkoholgehalt, der hohe Vergärungsgrad und die Mischkultur aus Kulturhefen, Milchsäurebakterien und Brett erklärt an dieser Stelle mehr.
Gruss
Oli
_____________________________
Brauwasser - hier entlang
Gärschwierigkeiten - hier entlang
Grundlagen Karbonisierung - hier entlang
Rezeptberatung - hier entlang
Google Forensuche - hier entlang
Benutzeravatar
renzbräu
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1599
Registriert: Montag 27. Juli 2020, 17:32
Wohnort: South Upperfranconian Lowlands

Re: Refraktometer und Sauerbier

#13

Beitrag von renzbräu »

... also auch wieder ein Effekt in den Nachkommastellen.
Grüße Johannes

- hausgebraut, handgeklöppelt & mundgetrunken -
Antworten