Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

Hier kommt alles rein, was woanders keinen Platz hat.
Antworten
Benutzeravatar
Johnny H
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 4177
Registriert: Donnerstag 31. Januar 2013, 22:08
Wohnort: Graz, Österreich

Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

#1

Beitrag von Johnny H »

Nachdem hier ja immer mal wieder über Hopfenqualität im Allgemeinen und vor allem über den Begriff Siegelhopfen im Speziellen geschrieben wird (und auch angeregt durch eine Diskussion dazu woanders), wollte ich mich mal ein wenig schlau machen und das Thema etwas grundsätzlicher verstehen, da das Wissen dazu zwar teilweise fundiert aber doch eher verstreut gepostet wird und es zumindest nach meinem Kenntnisstand keinen eigenen Thread dazu gibt.

Dabei sind mir auch ein paar Kuriositäten und Widersprüchlichkeiten aufgefallen, doch dazu später.

Woher kommt also der Begriff?

Laut Peter (gulp) und Wikipedia wurde das weltweit erste Hopfensiegel im 16. Jahrhundert in der mittelfränkischen Stadt Spalt eingeführt,

Laut Webseite der Brauerei Spalt sollte mit "dem Siegel [...] die Herkunft und die Qualität des Hopfens amtlich bestätigt und geschützt werden." Weiterhin "stand [es] ]unter Strafe, wenn Hopfenpflanzen entwendet oder ausgeführt wurden. Andere Hopfenanbaugebiete nahmen sich das Spalter Siegel zum Vorbild und führten eigene Hopfensiegel ein."

Hier hat Peter auch mal vor längerer Zeit ein Bild gepostet, wann wo genau Hopfensiegel eingeführt wurden.

So weit, so gut. Klingt sinnvoll! Das Hopfensiegel scheint dann 1929 im Hopfenherkunftsgesetz aufgegangen zu sein, das wiederum 1996 ins Hopfengesetz mündete.

Wikipedia dazu:
"1929 wurde mit dem Hopfenherkunftsgesetz erstmals ein einheitliches Gesetz für Deutschland erlassen. Es regelte, wo Hopfen angebaut werden durfte und schützte die Qualität des Hopfens vor Verfälschung durch Kennzeichnung von Anbaugebieten, Siegelung und Plombierung. Die Siegelbezirke wurden eingeführt. 1996 löste das Hopfengesetz das Hopfenherkunftsgesetz ab."
Heute plombiert vermutlich fast niemand mehr die Hopfensäcke, aber letztendlich ist aus dem ursprünglichen Siegelhopfen nun eine Zertifizierung mit Strichcodes geworden, die die folgenden Punkte regelt:
Siegel enthalten folgende Informationen:

Sorte
Erntejahr
Siegelbezirk
Anbaugebiet
Bruttogewicht
Bezugsnummer
Anbauland
Darüber wird im folgenden Post noch zu reden sein.

2016 gab es hier im Forum außerdem mal eine interessante Diskussion zum Thema "Hopfenqualitäten aus Übersee", in der Jan und Holledauer ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert haben.

Jan führt hier im Kontext Bitburger den Begriff des Vertragshopfens ein:
Der BBurger Siegelhopfen ist totaler Marketing Firlefanz. Grosse Braureien kaufen Ihren Hopfen nur zu einem Teil auf dem freien Spotmarkt nach der Ernte. Die groesseren Teile sind bereits vor der Ernte durch Vertraege gesichert (sog. Vertragshopfen). Im Vertrag sind bestimmte Eigenschaften festgehalten. Erreicht die Ernte diese Qualitaet nicht, gibt es entsprechende Preiskorrekturen.
Gilt sicherlich auch für andere Brauereien bzw. Hopfenbauern, die sich so gegenseitig absichern.

Jan hier außerdem:
Um den Unterschied zwischen Spotmarkt (sog. Freimengen) und Vertragshopfen zu verstehen, muss man sich etwas mit dem Hopfenhandel auseinandersetzen. Der ist, aehnlich wie bei anderen landwirtschaftlichen Produkten (Soja, Kaffee,...) relativ spekulativ.

Die Vorvertraege dienen aber dabei beiden Seiten (mehr oder weniger). Sie geben dem Pflanzer eine gewisse Abnahmesicherheit und dem Abnehmer eine gewisse Preissicherheit, auch bei schlechten Ernten (geringen Mengen). Allerdings versuchen die Brauereien aufgrund der Schwankungen, eben nicht den kompletten Hopfen ueber Vertraege zu sichern. Das gibt die Moegelichkeit eben auch auf guenstige Angebot bei Freihopfen zu reagieren.

Die Qualitaet spielt dabei erstmal nur eine untergeordnete Rolle. Freier Hopfen und Hopfen aus Vertragsanbau koennen der gleiche Hopfen sein. Auch das Siegel speilt erstmal keine Rolle. Wenn ich den Hopfen direct beim Bauern hole, kann ich ihn auch ohne Siegel kaufen und spar mir die Siegelgebuehren. Das Siegel dient nur der Nachvollziehbarkeit. In der Siegelhalle wird der Hopfen verwogen und "registriert". So faellt es auf wenn ploetzlich bei einer schlechten Ernte doppelt so viel Tettnanger auf dem Markt landet als in der Siegelhalle verwogen wurde. Auf Grund der Siegelnummer kann man dann verfolgen wo der Hopfen herkommt (oder eben nicht herkommt, wenn es ein "falscher" SIegelhopfen ist).
Das ergibt alles Sinn für mich.

Der holledauer hat im gleichen Thread auch noch einen sehr langen Post verfasst zu den praktischen und vertraglichen Abläufen beim Hopfenanbau und -verkauf, aus dem ich hier Auszüge zitiere:
Mit dem Deutschen Siegelhopfen hat es schon was auf sich. Die Hopfenbetriebe sind zertifiziert und müssen sich an die Vorgaben halten. Nur so kann gewährleistet werden, das unsere Hopfen durchgehend gleich behandelt werden und dieselben Prozesse durchlaufen. Anderswo ist das nicht gegeben.
[...]
Hopfenhandel und Hopfeneinkauf/ -verkauf
Der Hopfen wird beim Bauern von den Handelshäusern unter Vertrag genommen. Pro Sorte hat man pro Sorte eine gewisse Ertragserwartung.
Das Verhandlungsgeschick der Bauern und die Marktsituation entscheiden über den Preis pro kg.
Bei den Verträgen gibt es zwei verscheidene: es gibt entweder einen Alpha-Vertrag oder einen Vertrag nach Masse.
Beim Alpha-Vertrag wird nach kg/Alpha gerechnet und bei dem anderen nach der schieren Masse.
Bei Aromasorten hat man in aller Regel einen Vertag nach Masse (Hersbrucker, Saphir, Select, Mittelfrüh, Tradition, ….) und bei Alpha-Sorten einen Alpha-Vertrag (Perle, Herkules, Merkus, Magnum, ….)
Der Hopfen, der nach der Vertagserfüllung übrig bleibt, ist der sog. Freihopfen. Dieser kann vom Bauern nach Lust und Laune frei verkauft werden.
Dies kann entweder nach hinten oder nach vorne losgehen. Das hat aber Jan oben schon richtig beschrieben.
Großbrauereien selber kaufen aber nicht beim Bauern ein. Das geht alles über die Handelshäuser. Die Brauereien können zwar sagen, sie wollen den Hopfen vom Bauer Hans, bekommen diesen auch, wird aber alles über die Handelshäuser abgewickelt. Der Hopfen muß ja auch weiterverarbeitet werden.
Ein bisschen anders ist es bei kleinen Brauereien und bei Craft-Brauern. Sofern deren Anlage auf Dolden ausgelegt ist, kaufen sie ggf. schon Hopfen direkt beim Bauern. Aber die Menge ist da bei weitem nicht so groß und kann alleine gestemmt werden. Es ist aber sehr selten der Fall.
[...]
Achja… Bitburgers eigener Siegelhopfen ist nur eine Werbemasche ;-)
Aber weiter gehe ich jetzt nicht darauf ein.
In Summe ist das Hopfensiegel also ein Zertifikat, das primär der Nachvollziehbarkeit und Chargenrückverfolgung dient, darüber aber natürlich auch einen qualitätssichernden Effekt entfaltet. Dennoch ist der "Bitburger Siegelhopfen" selbstverständlich Quatsch, denn wenn ich es richtig verstehe, hat jeder (oder zumindest fast jeder, nur direkt gehandelter nicht?) Hopfen, der in Deutschland verkauft wird, ein "Hopfensiegel" oder dessen Äquivalent als Zertifikat mit Strichcode!

So, ich hoffe, dass das alles so korrekt dargestellt ist und die geschichtlichen, rechtlichen und praktischen Hintergründe ein wenig aufklärt. Zumindest hat es die Thematik für mich verständlicher gemacht. Aber es geht noch weiter, denn bei der Zertifizierung und den Siegelbezirken sind mir ein paar kuriose Details und auch ein paar (mögliche) juristische Fallstricke aufgefallen! Dazu mehr im nächsten Post, den ich noch ein wenig grafisch aufpeppen muss und daher erst später poste.

(Edit: kleinere Rechtschreibkorrekturen)
Zuletzt geändert von Johnny H am Samstag 5. Oktober 2024, 16:22, insgesamt 1-mal geändert.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
Benutzeravatar
Johnny H
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 4177
Registriert: Donnerstag 31. Januar 2013, 22:08
Wohnort: Graz, Österreich

Re: Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

#2

Beitrag von Johnny H »

So, in #1 war ja die Rede davon, dass die heutigen Siegel u.a. Siegelbezirk und Anbaugebiet festlegen. Und hier wird es nun teilweise etwas seltsam.

Nochmal die Information, die im Siegel festgelegt wird:
Sorte
Erntejahr
Siegelbezirk
Anbaugebiet
Bruttogewicht
Bezugsnummer
Anbauland
Unter den Anbaugebieten versteht man nun die großen Gebiete, namentlich die Hallertau, Spalt, Tettnang, Elbe-Saale usw. Innerhalb dieser sind dann die jeweiligen Siegelbezirke gelegen, also z.B. Wolnzach oder Au/Hallertau in der Hallertau oder z.B. Spalt und Kinding im Anbaugebiet Spalt (von diesem wird noch die Rede sein).

Hier wird es aber nun etwas kurios, denn das Hopfenanbaugebiet Hallertau begrenzt sich nicht etwa nur auf die geografische Region Hallertau, die grob zwischen den Städten Ingolstadt im Westen, Regensburg und Riegersburg im Norden, Freising im Süden und Rottenburg/Tauber und Landshut im Osten liegt, sondern auch Hersbruck gehört dazu, das sehr viel weiter nördlich liegt, und in mindestens einem Einzelfall (Biohof Friedrich in Lilling bei Gräfenberg)) liegt das Hopfenbaugebiet Hallertau sogar noch weiter nördlich, nämlich in Oberfranken bzw. der Fränkischen Schweiz!!
Unser Hof gehört organisatorisch zum Anbaugebiet der Hallertau, liegt aber am Rande der Fränkischen Schweiz.
In der folgenden Karte der Hallertau (in violett) habe ich sowohl Hersbruck (schwarzer Kreis) sowie Lilling (roter Kreis) ungefähr markiert.

Hallertau.JPG

Die folgende Karte von der Brauerei Spalter zeigt auch nochmal den Siegelbezirk Spalt speziell markiert, aber auch die anderen Hopfenanbaugebiete und Siegelbezirke sind als grüne Flecken zu erkennen.

Spalt Siegelbezirk.JPG

Noch seltsamer wird es, wenn man dann noch berücksichtigt, dass ja die einzelnen Hopfensorten auch nicht nur in der Region angebaut werden, deren Namen sie tragen, sondern natürlich munter überall. Im Falle des Biohofs Friedrich wird z.B. Spalter Select angebaut (rein namentlich und biologisch also ein "Spalter Hopfen", hopfenverwaltungstechnisch ein Hopfen aus dem Anbaugebiet Hallertau bzw. dem Siegelbezirk Hersbruck (hier ein Fragezeichen, da ich den Siegelbezirk der Webseite nicht entnehmen kann), landesverwaltungstechnisch ein Hopfen aus dem Regierungsbezirk Oberfranken und geografisch ein Hopfen aus Lilling bei Gräfenberg in der Fränkischen Schweiz. Da kenn sich noch einer aus...

Auch die HVG Spalt Hopfenverwertungsgenossenschaft e.G., die auf ihrer Webseite prominent den Begriff "Spalter Hopfen" führt, verwertet bzw. vermarktet neben den beiden Spalter-Varianten natürlich auch noch andere Sorten (insgesamt 16), wie z.B. Hallertauer Tradition, Tettnanger, Hersbrucker Spät und noch einige andere.

Spalter Hopfen.JPG

Und das alles wirft nun doch ein paar Fragen auf. Angenommen, eine Brauerei käme nun auf die Idee, aus Marketinggründen auf ihre Labels zu schreiben "Gebraut mit dem weltberühmten Spalter Hopfen" - wäre das dann eine Sorten- (Spalter Select oder Spalter Select), Anbaugebiets- (Spalt), Siegelbezirks- (Bezirk Spalt im Anbaugebiet Spalt) oder geografische (vermutlich ebenfalls nur der Bezirk Spalt im Gebiet Spalt) Bezeichnung? Und ist in diesem Zusammenhang der "Spalter Select" vom o.g. Biohof Friedrich zumindest umgangssprachlich eigentlich ein "Spalter Hallertauer Hersbrucker(?) Hopfen aus Illing in der fränkischen Schweiz"??

Auch eine Bezeichnung "Gebraut mit Hallertauer Hopfen" würde vermutlich ganz ähnliche Fragezeichen aufwerfen. Sortenbezeichnung (es gibt ja auch hier mehrere wie z.B. Tradition, Mittelfrüh usw.), Anbaugebietsbezeichnung (Hallertau) oder geografische Bezeichnung (die "unechte" Hallertau in Ober- oder Mittelfranken?? Oder die "echte" in Bayern?)?

Bei z.B. Kölsch und Pilsner Bier sind ja juristisch einigermaßen klare Regeln abgesteckt, was man als solche bezeichnen darf, aber ich glaube nicht, dass das beim Hopfen genauso ist. Vermutlich wird sich kein Brauer mit Sachverstand freiwillig auf dieses Terrain begeben wollen, aber der eine oder andere Marketing-Verantwortliche einer Großbrauerei könnte hier durchaus aufs Glatteis geraten. Denn jede Charge eines zertifizierten Hopfens wäre natürlich immer noch rückverfolgbar - davon weiß aber ein Label auf der Flasche oder ein Werbespot nicht viel. Oder ist es - wie der Fall des "Bitburger Siegelhopfens" belegt - im Moment relativ egal, wie willkürlich mit den Begrifflichkeiten rund um das Thema "Siegelhopfen" umgegangen wird?

Eventuell stellen sich auch hier geschmackliche Fragen. Ein in Deutschland angebauter Cascade schmeckt ja teilweise auch ganz anders, und von einem Besuch im Saazer Hopfeninstitut wissen wir, dass auch ganz gezielt unterschiedliche Saazer Varianten für bestimmte Lagen (Hang, Tal etc.) gezüchtet und angebaut werden. Auch anderen Posts hier im Forum habe ich schon entnommen, dass sich Hopfen auch im gleichen Anbaugebiet geschmacklich unterscheiden können und es natürlich auch geschmackliche Gründe gibt, dass sich bestimmte Brauereien bestimmte Hopfen vertraglich zusichern.

Und dann stellt sich eventuell die zusätzliche Frage, wo der Hopfen ggf. wesentliche weitere Verarbeitungsschritte erfährt. Meines Wissens ist das bei der Bezeichnung "Schwarzwälder Schinken" recht wichtig.

In Österreich/Slowenien hat man sich bei den Begriffen so geeinigt, dass mit dem Adjektiv "steirisch"/"styrian" bezeichneter Hopfen aus der früheren Untersteiermark, die heute in Slowenien liegt, bezeichnet wird, während die Bezeichnung "Hopfen aus der Südsteiermark" auf Hopfen aus Österreich hinweist (wobei die heutige Südsteiermark in Österreich liegt und nicht mehr der früheren Süd- bzw. Untersteiermark entspricht). Also auch da ein wenig Absurdität.

Auch bei anderen Lebens- oder Genussmitteln gibt es ja immer mal diese Fragezeichen: der o.a. "Schwarzwälder Schinken", DOC/DOCG-Labels in Italien (z.B. Prosecco, der auch nicht aus dem Städtchen Prosecco in der Nähe von Triest kommt) usw..

Bei Wein macht man es sich teilweise recht einfach: da nennt man die gleiche Rebsorte teilweise einfach anders, wenn sie woanders angebaut wird (Blaufränkisch / Lemberger, oder Pinot Noir / Spätburgunder / Blauburgunder). Aber auch da gab es schon Prozesse: so haben sich die Ungarn nach einem jahrelangen Prozess 2007 die Rechte am Namen "Tocai/Tokaji" als Herkunftsbezeichnung sichern lassen - die Rebsorte "Tocai" hingegen, die wohl geschmacklich komplett anders bzw. irrelevant ist, heißt seither im Friaul/Italien nur noch "Friulano"! Das sind natürlich alles Endprodukte, die direkt beim Verbraucher landen - während Hopfen im Bier ja nur eine Zutat ist (aber u.U. eine auch aus Marketinggründen recht wesentliche, wie auch das Beispiel der Steiermark belegt).

Da sind also einige Fragen für mich offen.
Zuletzt geändert von Johnny H am Samstag 5. Oktober 2024, 14:04, insgesamt 1-mal geändert.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
Benutzeravatar
§11
Moderator
Moderator
Beiträge: 9735
Registriert: Freitag 30. Oktober 2015, 08:24

Re: Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

#3

Beitrag von §11 »

Die Unterscheidung zwischen Geographie und Sorte ist relativ klar geregelt. Das hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch und bei Hobbybrauern nicht durchgesetzt, aber der Brauer spricht tatsächlich vom „Spalter Spalter“ wenn er einen Hopfen der Sorte Spalter aus dem Anbaugebiet Soalt meint. Eingebürgert hat sich in der Bezeichnung, das Anbaugebiet als Kürzel der Sorte vorweg zu stellen.

So ist ein HA Spalter Select ein Spalter Select aus der Holledau. Da der Deutsche Abkürzungen liebt wie kein anderer, wäre es genau genommen ein HA SSE

Cheers

Jan
„porro bibitur!“
Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
Die Seite zur HBCon https://heimbrauconvention.de/
https://headlessbrewer.wordpress.com/
Benutzeravatar
§11
Moderator
Moderator
Beiträge: 9735
Registriert: Freitag 30. Oktober 2015, 08:24

Re: Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

#4

Beitrag von §11 »

Und wir wären natürlich nicht zufrieden wenn das einfach geschehen würde. Die Wissenschaftlich-Technische Kommission (WTK) des Internationalen Hopfenbaubüros (IHB) stellt alljährlich eine Liste aller Hopfensorten zusammen, inklusive deren 3 Buchstaben Codes.

Es gibt übrigens auch z.B. Hallertauer Mittelfrüh aus den USA, da wird es dann noch verwirrender

Cheers

Jan
„porro bibitur!“
Die Seite zum Buch "Bier brauen" https://www.jan-bruecklmeier.com/
Die Seite zur HBCon https://heimbrauconvention.de/
https://headlessbrewer.wordpress.com/
Benutzeravatar
Johnny H
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 4177
Registriert: Donnerstag 31. Januar 2013, 22:08
Wohnort: Graz, Österreich

Re: Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

#5

Beitrag von Johnny H »

§11 hat geschrieben: Samstag 5. Oktober 2024, 14:01 Die Unterscheidung zwischen Geographie und Sorte ist relativ klar geregelt. Das hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch und bei Hobbybrauern nicht durchgesetzt, aber der Brauer spricht tatsächlich vom „Spalter Spalter“ wenn er einen Hopfen der Sorte Spalter aus dem Anbaugebiet Spalt meint. Eingebürgert hat sich in der Bezeichnung, das Anbaugebiet als Kürzel der Sorte vorweg zu stellen.
Das ist interessant. Dann wäre der o.g. "Spalter Select" vom Biohof in Lilling in der Tat ein Hallertauer Spalter Select (HA SSE), obwohl Lilling geografisch deutlich näher am Anbaugebiet Spalt liegt als an der Hallertau.

Und ein Spalter Hallertauer Tradition wäre dann aus dem Anbaugebiet Spalt (SPA Hallertauer?).

Ein "Spalt Spalter" wird zumindest laut Hopfen der Welt nur im Anbaugebiet Spalt angebaut. Von daher scheint es da keine Fragezeichen zu geben.

Aber die Bezeichnung "Spalter Hopfen", wenn sie generisch irgendwo geführt wird wie z.B. bei der HVG Spalt Hopfenverwertungsgenossenschaft e.G links oben prominent auf der Webseite mit 16 verschiedenen Sorten, darunter auch Bitterhopfen wie Magnum, Herkules oder Merkur?
§11 hat geschrieben: Samstag 5. Oktober 2024, 14:08 [...]
Es gibt übrigens auch z.B. Hallertauer Mittelfrüh aus den USA, da wird es dann noch verwirrender
[...]
Hallertauer Cascade gibt es auch. Vermutlich noch einige andere.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
Benutzeravatar
Johnny H
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 4177
Registriert: Donnerstag 31. Januar 2013, 22:08
Wohnort: Graz, Österreich

Re: Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

#6

Beitrag von Johnny H »

Und eine weitere Beobachtung: laut deren Webseite handelt es sich beim Begriff "Tettnanger Hopfen" mittlerweile seit 2010 um eine "geschützte geografische Angabe (g.g.A.)".
Der Tettnanger Hopfen wurde 2010 durch die EU-Kommission als geschützte geografische Angabe (g.g.A.) anerkannt.

2003 stellte der Verband den Antrag den Tettnanger Hopfen als geschützte, geografische Angabe (g.g.A.) EU-weit zu sichern. Nach einer siebenjährigen Prüfung durch das Deutsche Patent- und Markenamt, das Bundesjustizministerium und die EU-Kommission wurde dem Tettnanger Hopfen 2010 der Markenschutz erteilt. [...] Damit erhielt der Tettnanger Hopfen als eines der ersten Produkte in Deutschland überhaupt aufgrund seiner langen Tradition und seiner speziellen Eigenschaften (Klima, Anbau, Herstellung, Inhaltsstoffe, Aroma etc.) Schutzrechte. Verbunden damit ist das Recht damit zu werben, als auch eine finanzielle Förderung für den Absatz.
Man darf also sogar damit werben!
Da der Tettnanger Hopfen in der Brauindustrie als Premiumprodukt gilt und folglich auch höherpreisig angesiedelt ist, bietet der Hopfenpflanzerverband Tettnang den Brauereien in Form einer Lizenzgeber-/Lizenznehmerschaft an, den Tettnanger Hopfen auf dem Bierlabel ausweisen zu dürfen. Zahlreiche Brauereien national und international haben dieses Angebot inzwischen angenommen und werben damit, dass das entsprechende Bierprodukt mit höherwertigen Hopfenprodukten hergestellt wurde.
Imteressanterweise wird aber nicht nur die Hopfensorte "Tettnanger" im Anbaugebiet Tettnang angebaut, sondern auch einige andere wie z.B. Mandarina Bavaria, Hallertauer Mittelfrüh, Perle usw. (siehe z.B. das Angebot dazu bei HuM, gefiltert nach Anbaugebiet) - hier ist aber offensichtlich bei den anderen Sorten nicht das Anbaugebiet vorangestellt, im Gegenteil heißt der Mandarina Bavaria aus Tettnang offenbar sogar "Hallertau Mandarina Bavaria" (möglicherweise liegt hier auch irgendein Namensschutz vor, ich meine, ich hätte mal was dazu gelesen). Und nennen dann die Brauereien, die diesen Hopfen verbrauen, ihn intern trotzdem "Tettnanger Hallertau Mandarina Bavaria"? :puzz

Und Tettnanger aus dem Anbaugebiet Spalt (den es auch gibt, s. Webseite der HVG Spalt) dürfte dann sicherlich nicht als "Tettnanger Hopfen g.g.A." beworben werden dürfen, aber evtl. als "Spalter Hopfen"? :puzz

Wobei mir nach Lesen der Tettnanger-Webseite und der sehr kurzen EU-Verordnung nicht mal klar ist, ob andere Sorten aus dem Anbaugebiet Tettnang auch als "Tettnanger Hopfen (g.g.A.)" bezeichnet werden dürfen - denn es handelt sich ja um eine reine Herkunftsangabe!

Und noch ein Nachtrag: auf dieser Marketingseite des Landes (mag also unglücklich bzw. inkorrekt formuliert sein), stehen die Aromasorten im Plural:
Eintragung als geschützte geographische Angabe am 12. Mai 2010. Tettnanger Hopfen sind Aromasorten [Plural] aus dem Anbaugebiet Tettnang, wobei die Sorte „Tettnanger“ ausschließlich dort angebaut wird.
Also alle Aromasorten aus Tettnang geschützt? Wobei der zweite Teil des Satzes ganz sicher Quatsch ist, denn die Sorte wird ja auch woanders angebaut!

Fragen über Fragen... und jede Menge Verwirrung!
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
Benutzeravatar
Johnny H
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 4177
Registriert: Donnerstag 31. Januar 2013, 22:08
Wohnort: Graz, Österreich

Re: Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

#7

Beitrag von Johnny H »

Und weiter geht es mit dem "Tettnanger Hopfen": auch auf der Webseite "GenussErbe Bayern" findet sich etwas zum Thema: auch hier wird auf die "geschützte geografische Angabe (g.g.A.)" verwiesen, und auch hier stehen die Tettnanger Hopfen im Plural.
Als „Tettnanger Hopfen“ werden Aromasorten aus dem Anbaugebiet Tettnang definiert. Tettnanger Hopfen dient fast ausschließlich der Bierproduktion und geht überwiegend in der verarbeiteten Form von Hopfenpellets und zum geringeren Teil in der Form von Hopfenextrakt zum Kunden, da bei der Extraktion wertvolle Aromastoffe des Tettnanger Hopfens verloren gehen können.
sowie
Tettnanger Hopfen ist seit 2010 als geschützte geografische Angabe (g.g.A.) bei der EU eingetragen.

Damit ist diese Bezeichnung in allen Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft geschützt und darf nur von Erzeugern genutzt werden, die die Vorgaben des Einzigen Dokuments einhalten.
Und hier findet sich nun tatsächlich ein Link zu diversen EU-Dokumenten:

eAmbrosia - the EU geographical indications register: Tettnanger Hopfen

Ich habe noch nicht alle durchgelesen, aber in diesem Schriftstück (EUR-Lex-52009XC0915(01)-EN) vom 15.09.2009 findet sich doch tatsächlich eine Spezifikation, welche unter anderem besagt:
4.1 Name:
„Tettnanger Hopfen“

4.2 Beschreibung:
[...] Als „Tettnanger Hopfen“ werden Aromasorten [PLURAL] aus dem Anbaugebiet Tettnang definiert. Neben den Hauptsorten Tettnanger (ab 1973 der einheitliche „Tettnanger Frühhopfen“; P. Heidtmann „Grünes Gold“ 1994, 342) und Hallertauer Mittelfrüher werden auch die Sorten Hallertauer Tradition und Perle angebaut. Die Sorte Tettnanger wird ausschließlich im Anbaugebiet Tettnang angebaut.
(H.v.m., die Anmerkung in [ ] ebenso)

Der letzte Satz stimmt zwar meines Wissens nicht, aber das dürfte wohl dennoch eindeutig belegen, dass auch andere Aromasorten, die im Anbaugebiet Tettnang angebaut werden, unter die "g.g.A." fallen und als "Tettnanger Hopfen g.g.A." beworben werden dürfen.

Im Umkehrschluss fällt die Hopfensorte "Tettnanger", sofern woanders angebaut, nicht unter den möglichen geografischen Schutz.

Ich muss sagen, da bin ich jetzt tatsächlich ein bisschen baff, aber zumindest in diesem Fall herrscht einigermaßen Klarheit! Es wäre nun interessant, ob auch andere Hopfenanbaugebiete Bestrebungen unternehmen, sich in gleicher Art und Weise zu schützen. Zumindest hätte man dafür schon mal einen Präzedenzfall.

Hier listet die Webseite "Tettnanger Hopfen" auch die unterschiedlichen Hopfensorten, die angebaut werden. Dabei wird unterschieden zwischen
  • Landsorten (feine Aromasorten - Noble Hops wie z.B. Saazer, Spalt und natürlich Tettnanger)
  • Aromasorten (wie z.B. Hallertauer Tradition, Spalter Select und Perle)
  • Bitter/Hochalphasorten (Magnum etc.)
  • Dualhopfen (Polaris)
  • sowie sog. "Flavor Hops" (die "neuen" Sorten wie z.B. Mandarina Bavaria, aber auch Cascade und "German Amarillo").
Außerdem als Kontext:
In Tettnang werden derzeit über 20 Sorten kultiviert – rund 75 % im Bereich Land-, Aroma- und Flavorsorten, ein Viertel entfällt auf die Hochalphasorte Herkules. Das Anbaugebiet Tettnang bezeichnet sich als „Feinkostladen“ des südlichsten Anbaugebietes der Republik.
Und in diesem Flyer von "Verband Deutscher Hopfenpflanzer e.V." von 2016 werden auch nochmal fast alle Sorten aufgeführt, die in Deutschland zum Zeitpunkt des Flyers angebaut wurden (es dürften wohl inzwischen mehr sein), diesmal unterschieden nach Bitter-, Aroma- und Dualhopfen. Das scheint wohl die gängige Unterscheidung zu sein, wobei es offenbar auch noch Unterpunkte gibt:
1. Assignment of Hop Varieties to Groups
In addition to the aroma hop and bitter hop groups, according to the IHGC (International Hop Growers Convention) there are also
”dual purpose hops“. A variety from this group can count as a bitter hop but also have special aroma characteristics, like Polaris, for
example. In the large group of aroma hops there are additional specifications as to whether a variety can be assigned to the ”noble aroma hops“ (classic aroma landraces) or the ”special flavor hops“ (often used for dry hopping).
Die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Bitter-, Aroma- und Dualhopfen dürfte im Streitfall wichtig sein. Es könnte ja evtl. jemand auf die Idee kommen, ein Pellet Herkules aus Tettnang spät in den Sud zu werfen, um so die "g.g.A."-Angabe für ein Label zu erfüllen. Da der Herkules aber per Definition (vermutlich wird man sich da im Zweifel auf eine "allgemeine Verkehrsauffassung" beziehen, es sei denn, es gibt irgendwo verbindliche Definitionen dazu) ein Bitterhopfen ist, dürfte das nicht möglich sein.

Langer Rede kurzer Sinn: der Begriff "Tettnanger Hopfen g.g.A." dürfte jede Aromahopfensorte umfassen, die im Anbaugebiet Tettnang kultiviert wird, also sogar auch Cascade und "German Amarillo", aber nicht die Sorte Tettnanger, wenn sie z.B. im Anbaugebiet Spalt angebaut wird! Ob andere Anbaugebiete wie z.B. Spalt oder die Hallertau ähnliche Schutzbestrebungen verfolgen, entzieht sich meiner Kenntnis.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
Benutzeravatar
Wengertsbräu
Posting Junior
Posting Junior
Beiträge: 39
Registriert: Donnerstag 29. Oktober 2020, 17:27

Re: Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

#8

Beitrag von Wengertsbräu »

Hallo Johnny H,

zu g.g.A., g.U. und g.t.a. gibt es noch eine weitere offizielle Datenbank. Such mal nach GIview.
https://www.tmdn.org/giview/gi/EUGI00000013893
Die Seite ist umfangreicher und du findest dort den Kausalzusammenhang zwischen dem Hopfen und seinem Ursprung.

Gruß Rainer
Mitglied im VHD e.V.
Benutzeravatar
Johnny H
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 4177
Registriert: Donnerstag 31. Januar 2013, 22:08
Wohnort: Graz, Österreich

Re: Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

#9

Beitrag von Johnny H »

Wengertsbräu hat geschrieben: Montag 7. Oktober 2024, 10:51 Hallo Johnny H,

zu g.g.A., g.U. und g.t.a. gibt es noch eine weitere offizielle Datenbank. Such mal nach GIview.
https://www.tmdn.org/giview/gi/EUGI00000013893
[...]
Cool, vielen Dank, da findet sich einiges, u.a. auch Einträge für den "Spalt Spalter" (PDI - Protected Designation of Origin bzw. "geschützter Ursprung" - g.U.) und "Hopfen aus der Hallertau" (wie "Tettnanger Hopfen" eine Protected Geographical Indication (PGI) bzw. "geografisch geschützte Angabe" - g.g.A.).

Da muss ich mal im Detail drüberschauen. Wobei beim Eintrag für Tettnanger schon mal das hier steht, was weitere Fragen aufwirft:
Als Tettnanger Hopfen werden die Aromahopfensorten (Tettnanger Frühhopfen, Hellertauer Tradition, Perle) aus dem Anbaugebiet Tettnang bezeichnet.
Das wäre eine engere Definition bzw. eine Einschränkung der Sorten im Vergleich zu dem, was auf anderen Seiten steht! Hoffentlich ist das nicht so falsch wie die Schreibweise "Hellertauer".
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
Benutzeravatar
Johnny H
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 4177
Registriert: Donnerstag 31. Januar 2013, 22:08
Wohnort: Graz, Österreich

Re: Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

#10

Beitrag von Johnny H »

1) Auf der gleichen Webseite findet sich der Eintrag zum "Spalt Spalter" und dessen Einstufung unter "PDI - Protected Designation of Origin bzw. "geschützter Ursprung" - g.U.".

Klingt alles soweit nachvollziehbar. Im Eintrag findet sich auch eine Karte des Anbaugebiets.

Hier wird auch nochmal die von Jan weiter oben in #3 beschriebene Systematik mit dem der Sorte vorangestellten Anbaugebiet im Namen erklärt:
Der Schutz umfasst ausschließlich die Hopfensorte „Spalter“. Die Bezeichnung „Spalt Spalter“ ergibt sich, da das Anbaugebiet vor die entsprechende Sortenbezeichnung gesetzt wird, im konkreten Fall also „Spalt Spalter“.
Erstaunlich finde ich aber doch, dass die Webseite "Tettnanger Hopfen" (s. #7) die Sorte "Spalter" auf ihrer Liste hat, was nahelegt, dass er auch dort kultiviert wird - und dann aber "Tettnang Spalter" genannt wird?

Aber wenn die Bezeichnung "Spalt Spalter" sowieso Konvention ist mit dem vorangestellten Anbaugebiet in der Bezeichnung, warum dann der Schutz?

2) Ebenso auf der Webseite der Eintrag zum "Hopfen aus der Hallertau" und dessen Einstufung unter "Protected Geographical Indication (PGI) bzw. g.g.A."

Hier finde ich persönlich allerdings die mit Karte und Landkreisbenennungen definierte "Hallertau", für die der Eintrag gilt, geografisch "interessant", um es freundlich zu formulieren. Oder etwas direkter: was nicht passt, wird passend gemacht!
Hallertau PGI.JPG
Hallertau PGI.JPG (71.99 KiB) 1165 mal betrachtet
Definition of the geographical area

Das geografische Gebiet entspricht dem gesetzlich definierten Hopfenanbaugebiet Hallertau. Dieses erstreckt sich auf Teile der in Bayern gelegenen Landkreise Eichstätt, Freising, Kehlheim, Landshut, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen a. d. Ilm sowie Amberg-Sulzbach, Bayreuth, Erlangen-Höchstadt, Forchheim und Nürnberger Land.
:Waa

Ich kenne mich ja in der Gegend wirklich nicht gut aus, aber es würde mich wirklich interessieren, wann und wo Teile der fränkischen Schweiz oder Oberfranken das erste Mal "Hallertau" genannt wurden, und wer sich z.B. in der Fränkischen Schweiz (abgesehen von Personen, die direkt mit dem Hopfenanbau zu tun haben) der Tatsache bewusst ist, dass diese Gegend zur Hallertau gehört.

Das erzähle ich übermorgen mal beim HBCON-Online-Stammtisch, und ich bin schon sehr gespannt, ob einer der Teilnehmer aus Franken davon weiß. :Wink

Auch der südliche Teil der "Hallertau" in der Karte scheint z.B. deutlich weiter nach Westen zu reichen als die "Hallertau" auf der Karte in #2.

3) Auch "Elbe-Saale Hopfen" ist geschützt (auch hier "Protected Geographical Indication (PGI) bzw. g.g.A.").

Hier kann ich wenig sagen, aber es fällt auf, dass hier in den verschiedenen Texten auch diverse Bitterhopfen sehr umfangreich erwähnt werden.

===================

Und insgesamt fällt auch noch bei der Unterscheidung zwischen den Schutzstufen g.g.A. und g.U. auf, dass letzterer strenger ist (Quelle):
g.U.: Dieses Gütezeichen bezieht sich auf einen bestimmten geografischen Ort, wo die Lebensmittel erzeugt, verarbeitet und hergestellt wurden und für diese Region typische Eigenschaften haben.
g.g.A.: Bei diesem Gütezeichen muss zumindest einer der Produktionsschritte in dem Gebiet erfolgen. Die Qualität oder eine weitere Eigenschaft sind für das jeweilige Gebiet typisch.
Beim "Spalt Spalter" als "g.U." muss also wohl wirklich jeder wesentliche Prozessschritt in dem definierten Gebiet stattfinden, während man bei den anderen zumindest die Verarbeitung auch woanders machen könnte.
=======================

Also insgesamt einige interessante Beobachtungen - und durchaus vorhandene Kuriositäten bzw. Fragwürdigkeiten.
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
Benutzeravatar
renzbräu
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1577
Registriert: Montag 27. Juli 2020, 17:32
Wohnort: South Upperfranconian Lowlands

Re: Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

#11

Beitrag von renzbräu »

Johnny H hat geschrieben: Montag 7. Oktober 2024, 19:46 Ich kenne mich ja in der Gegend wirklich nicht gut aus, aber es würde mich wirklich interessieren, wann und wo Teile der fränkischen Schweiz oder Oberfranken das erste Mal "Hallertau" genannt wurden, und wer sich z.B. in der Fränkischen Schweiz (abgesehen von Personen, die direkt mit dem Hopfenanbau zu tun haben) der Tatsache bewusst ist, dass diese Gegend zur Hallertau gehört.
Da ist eine neuere Entwicklung. Der Hopfen aus diesen Gärten wurde früher als Anbaugebiet Hersbrucker Gebirge geführt und gesiegelt. In Gegensatz zu anderen Anbaugebieten konnte der Hopfenanbau aber im 20 Jahrhundert nie dafür Größe und Bedeutung wie z.B. in der Hallertau erreichen.

Unter dem Wikipedia-Artikel Hersbruck steht:
Hopfensiegelbezirk Hersbruck
Bearbeiten
Die Hopfenanbauregion Hersbrucker Gebirge wird 2004 der Hallertau als 15. Siegelbezirk zugeschlagen.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Hersbruck#Hopfen

Somit ist da nix historisch gewachsen.
Grüße Johannes

- hausgebraut, handgeklöppelt & mundgetrunken -
Benutzeravatar
Johnny H
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 4177
Registriert: Donnerstag 31. Januar 2013, 22:08
Wohnort: Graz, Österreich

Re: Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

#12

Beitrag von Johnny H »

renzbräu hat geschrieben: Montag 7. Oktober 2024, 20:22 Da ist eine neuere Entwicklung. Der Hopfen aus diesen Gärten wurde früher als Anbaugebiet Hersbrucker Gebirge geführt und gesiegelt. In Gegensatz zu anderen Anbaugebieten konnte der Hopfenanbau aber im 20 Jahrhundert nie dafür Größe und Bedeutung wie z.B. in der Hallertau erreichen.
[...]
Somit ist da nix historisch gewachsen.
Hallo Johannes, danke für den Hinweis.

Mal wieder wird da offenbar (wie beim RHG) eine historische Kontinuität suggeriert, die in diesem Fall schlicht nicht bestanden hat, wenigstens nicht unter dem Namen "Hallertau". Auf die lange Tradition wird ja auch im Text verwiesen:
Der Hopfenanbau in der Hallertau hat eine über 1 100 Jahre alte Tradition, da 860 erstmals der Hopfen urkundlich erwähnt wurde. Das Hopfenanbaugebiet Hallertau bietet für den Hopfenanbau günstige Boden- und Klimaverhältnisse. Die Lage im tertiären Hügelland mit seinen tiefgründigen, lockeren Böden, verbunden mit Frostfreiheit ab Ende April, einer Durchschnittstemperatur von 7,7 °Celsius, einer gemäßigten Sonnenscheindauer von 1 673 Stunden pro Jahr und reichlich Niederschlag von 816 mm pro Jahr sind dabei von besonderer Bedeutung.

Auf Grund der besonderen Klima- und Bodenverhältnisse des Anbaugebietes wird die Hallertau von der internationalen Brauwirtschaft besonders geschätzt.
Und ob Klima, Boden usw. ca. 100 km nördlich in z.B. der Fränkischen Schweiz genau so sind wie im Text beschrieben?

Mal ganz abgesehen von den erheblichen Klimaveränderungen, die über die Jahrhunderte immer wieder in der Region relevante Veränderungen gebracht haben (Bier <-> Wein <> Bier), wie es detailliert beschrieben wird in "Bier- eine Geschichte von der Steinzeit bis heute" von Hirschfeld/Trummer. Dort ist u.a. die Rede vom Klimaoptimum im 11.-13. Jahrhundert und auch dem Beginn der kleinen Eiszeit ca. im 15. Jahrhundert. Bestand da also wirklich eine kontinuierliche Tradition des Hopfenanbaus?

Oder geht's vielleicht doch mal wieder sehr ums Marketing, weil "Hallertauer Hopfen" ja so einen tollen Klang hat?
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
chamaeleon
Posting Junior
Posting Junior
Beiträge: 44
Registriert: Freitag 18. August 2023, 22:27

Re: Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

#13

Beitrag von chamaeleon »

Ich hab das Thema nicht näher verfolgt und weiß daher nicht, ob der folgende Hinweis hilfreich ist. Im aktuellen Mitteilungsblatt (10.10.2024) der Gemeinde Memmelsdorf ist auf Seite 3 eine Rechnung über 1/3 Ballot 1955er Mainburger Siegelhopfen, der an die ehemalige Memmelsdorfer Brauerei Nüsslein geliefert wurde, abgebildet.

https://www.memmelsdorf.de/rathaus-serv ... -amtsblatt
Benutzeravatar
Johnny H
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 4177
Registriert: Donnerstag 31. Januar 2013, 22:08
Wohnort: Graz, Österreich

Re: Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

#14

Beitrag von Johnny H »

chamaeleon hat geschrieben: Samstag 12. Oktober 2024, 15:20 Ich hab das Thema nicht näher verfolgt und weiß daher nicht, ob der folgende Hinweis hilfreich ist. Im aktuellen Mitteilungsblatt (10.10.2024) der Gemeinde Memmelsdorf ist auf Seite 3 eine Rechnung über 1/3 Ballot 1955er Mainburger Siegelhopfen, der an die ehemalige Memmelsdorfer Brauerei Nüsslein geliefert wurde, abgebildet.
[...]
Interessant. Danke für die Mühe.

Ich habe gerade nachgeschaut. Memmelsdorf liegt bei Bamberg, Mainburg dagegen zwischen Ingolstadt und Landshut, also mitten in der "echten" (geografischen) Hallertau.

Wahrscheinlich kann man hieraus zu Recht schlussfolgern, dass der Begriff "Siegelhopfen" - ich nehme hier Bezug auf den "Bitburger Siegelhopfen" - eigentlich nichts besonderes darstellt, sondern ein ganz normaler oder wenigstens ziemlich verbreiteter Begriff war bzw. ist. In diesem Fall für einen Hopfen aus dem Siegelbezirk Mainburg, welches heute noch existiert. Die Hopfensorte ist dabei nicht mal benannt.

Der Hopfenhändler Brechtelsbauer war damals in Georgensgmünd. Das liegt in Mittelfranken in der Nähe von Spalt, also irgendwo zwischen Memmelsdorf und Mainburg.

Ob die als Anlage aufgeführte und wohl der Rechnung ehemals beiliegende Urkunde wohl das vollständige Siegelzertifikat war?

Und warum die Brauerei damals einen Hopfen aus der Hallertau bestellt oder erhalten hat und keinen aus der beispielsweise nähergelegenen Hersbrucker Gegend oder aus Spalt, in dessen Nähe der Hopfenhändler ansässig war, ist vermutlich für immer in der Geschichte verschwunden, könnte aber ganz sicher auch eine völlig triviale Erklärung haben (man hat Hopfen bestellt und solchen bekommen).

Die Brauerei Nüsslein scheint ja schon lange nicht mehr zu existieren (aufgelassen 1961).
Jubel erscholl, als sich die Trinker von dem schneidigen, köstlichen, bei dem früher in Pilsen erzeugten nie wahrgenommenen Geschmack überzeugten. Die Geburt des Pilsner Bieres!
(E. Jalowetz, Pilsner Bier im Lichte von Praxis und Wissenschaft, 1930)
Benutzeravatar
renzbräu
Posting Freak
Posting Freak
Beiträge: 1577
Registriert: Montag 27. Juli 2020, 17:32
Wohnort: South Upperfranconian Lowlands

Re: Hopfensiegel, Siegelhopfen und zugehörige Kuriositäten

#15

Beitrag von renzbräu »

Johnny H hat geschrieben: Samstag 12. Oktober 2024, 16:32 Und warum die Brauerei damals einen Hopfen aus der Hallertau bestellt oder erhalten hat und keinen aus der beispielsweise nähergelegenen Hersbrucker Gegend oder aus Spalt, in dessen Nähe der Hopfenhändler ansässig war, (...)
Wobei die Hopfenhändler nicht unbedingt in den Anbaugebieten saßen; Barth Haas in Nürnberg ist ein Beispiel, aber auch Bamberg war im 19. Jahrhundert ein Zentrum des Hopfenhandels, obwohl nicht im Anbaugebiet gelegen. Im Deutschen Hopfenmuseum in Wollnzach wird Bamberg mit seinen Hopfenhändlern und deren Villen explizit dargestellt.
Grüße Johannes

- hausgebraut, handgeklöppelt & mundgetrunken -
Antworten