Cask Ale vs. Bayerischer Anstich

Hier kommt alles rein, was woanders keinen Platz hat.
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jhs
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Cask Ale vs. Bayerischer Anstich

#1

Beitrag von jhs »

Hallo zusammen!

Zum Thema Cask Ale habe ich ein paar Fragen bzw. ich sehe teilweise nur marginale Unterschiede zum bayerischen Anstich bezüglich der Zapftechnik.

Soweit ich es verstanden habe:
  • Cask Ale wird in der Brauerei in ein Fass gefüllt und mit Speise versetzt
  • im Pub erfolgt dann die Nachgährung
  • Anschließend wird das Faß belüftet und dann an die Bierpumpe angeschlossen
Eigentlich ist das doch am Ende fast das gleiche wie beim bayrischen Anstich, wo ich allerdings erst den Zapfhahn reinhaue und dann die Pfeife und damit mehr Kohlesäure habe. Warum belüftet man das Cask Ale? Ist es überkarbonisiert?

Natürlich wird heute beim bayrischen Anstich fast nie eine Fass-Nachgährung stattfinden (also außer bei mir, weil ich keine Druckabfüllung machen kann und vielleicht bei einem Schneider Weiße-Fass - Weißbier vom Fass gibt es aber echt selten), aber vor der Druckabfüllung dürften es auch die großen Brauereien so gemacht haben. Die Bierpumpe ist natürlich speziell für das Cask Ale - beim Bayrischen Anstich läuft das über Schwerkraft - aber ist der Unterschied so groß?

Oder habe ich da ein völlig falsches Verständnis?

Danke,
Johannes

P.S.: Es hat auch was von Zoigl - Brauen im Kommunbrauhaus und Gährung/Reifung anschließend beim Zoigl-Wirt...
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Birra_Barracuda
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Re: Cask Ale vs. Bayerischer Anstich

#2

Beitrag von Birra_Barracuda »

Cask Ale wird durchaus auch durch einen Einschlaghahn ausgeschenkt, z.B. bei größeren Veranstaltungen. Dass die Ale Fässer im Keller durch anstechen konditioniert werden, hat unter anderem den Grund, dass sich zu viel Kohlensäure nicht mit der Handpumpe zapfen lässt. Dann kommt nur Schaum oben an. Im Bierkeller herrschen dann 12 bis 15°C, was der gewünschten Trinktemperatur entspricht und nebenbei eine zu bewältigende Verperlung einstellt. Dazu wird der Verschluss einen Tag vorher belüftet, Kohlensäure entweicht znd Hefe kann sich wieder ablagern. Erst dann kommt der Hahn oder der Extractor rein.

Enthusiasten behaupten, dass das Ale in diesem Pub besser schmeckt als in jenem, was dann mit der Belüftungszeit bzw. Alter des angeschlagenen Fasses zu tun haben mag... :)
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jhs
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Re: Cask Ale vs. Bayerischer Anstich

#3

Beitrag von jhs »

Birra_Barracuda hat geschrieben: Samstag 3. Mai 2025, 09:03 Cask Ale wird durchaus auch durch einen Einschlaghahn ausgeschenkt, z.B. bei größeren Veranstaltungen. Dass die Ale Fässer im Keller durch anstechen konditioniert werden, hat unter anderem den Grund, dass sich zu viel Kohlensäure nicht mit der Handpumpe zapfen lässt. Dann kommt nur Schaum oben an. Im Bierkeller herrschen dann 12 bis 15°C, was der gewünschten Trinktemperatur entspricht und nebenbei eine zu bewältigende Verperlung einstellt. Dazu wird der Verschluss einen Tag vorher belüftet, Kohlensäure entweicht znd Hefe kann sich wieder ablagern. Erst dann kommt der Hahn oder der Extractor rein.
Warum Karbonisieren die dann überhaupt soweit auf, wenn sie dann eh erst entlüften? Wäre heute doch technologische eigentlich beherrschbar, oder?
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rakader
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Re: Cask Ale vs. Bayerischer Anstich

#4

Beitrag von rakader »

Mein Cask Ale wird nicht mit Speise versetzt. Wüsste auch nicht, dass Brewdog es so macht. Es wird einfach ein gespundetes Bier in einem geschlossenen System auf Fass umgefüllt. Es gibt hier einen sehr guten Werkstattbericht in Bebilderte Braudokumentationen dazu. Die Karbonisierung ist dabei nebensächlich - es geht um die Holznoten des Fasses. Enthusiasten nehmen da schon mal alte Whiskeyfässer her.

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Re: Cask Ale vs. Bayerischer Anstich

#5

Beitrag von Birra_Barracuda »

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Re: Cask Ale vs. Bayerischer Anstich

#6

Beitrag von Colindo »

Du siehst das schon richtig, es gibt viele Gemeinsamkeiten zwischen Cask Ale und ungespundetem fränkischem Bier oder fassgereiftem Weißbier. Vorgabe ist die ohne Druck gelöste Kohlensäure und eine Kellertemperatur zwischen 10°C und 12°C, was mindestens 2,2g/l CO2 ergibt.

Der Grund, warum mehr karbonisiert wird als später benötigt ist zweierlei. Erstens wird beim Entlüften auch Schwefel ausgetrieben, der zum Beispiel bei entsprechenden Hefen durch sehr sulfathaltiges Wasser entstehen kann (SO2) und zum anderen gibt es bei den Bieren, die im Fass hopfengestopft werden, mehr Hefeaktivität und dadurch mehr Biotransformation. Ohne die zusätzliche Hefeaktivität wären die Biere schnell grasig oder übermäßig bitter.
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Re: Cask Ale vs. Bayerischer Anstich

#7

Beitrag von Colindo »

Noch ein paar Anmerkungen: Wie Radulph sagt benutzen Speise nur sehr wenige Brauereien, die meisten geben Zuckerlösung hinzu. Allerdings hat Cask Ale nichts mit Holzfassreifung zu tun und selbst die eine verbliebene Brauerei, die in Holzfässer abfüllt (Sam Smith), nutzt Eichenholz, das besonders wenig Aroma einbringt. Holzaroma galt in Großbritannien jahrhundertelang als Fehlaroma und ist erst seit neustem durch den Trend in Amerika aufgekommen. Dabei spricht man von Barrel-aged, die Aromen sind aber meist von dem Getränk, was zuvor im Fass war und weniger von dem Holzfass selbst.
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Re: Cask Ale vs. Bayerischer Anstich

#8

Beitrag von Colindo »

Der Artikel ist leider nur so ca. 80% korrekt und beinhaltet einige Fehler. Am besten klickt man sich mal durch die CamRA-Seiten. Das Buch Cellarmanship von CamRA ist die Lektüre der Wahl, wenn sich jemand vertiefen möchte.
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Re: Cask Ale vs. Bayerischer Anstich

#9

Beitrag von jhs »

Danke für die Erklärung mit der höheren Karbonisierung - klingt spannend.

Zumindest in der Dokumentation vom HomeBrewChannel habe ich auch kein einziges Holzfass gesehen, scheint alles Alu zu sein (oder Edelstahl).
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Re: Cask Ale vs. Bayerischer Anstich

#10

Beitrag von rakader »

jhs hat geschrieben: Sonntag 4. Mai 2025, 22:40 Danke für die Erklärung mit der höheren Karbonisierung - klingt spannend.

Zumindest in der Dokumentation vom HomeBrewChannel habe ich auch kein einziges Holzfass gesehen, scheint alles Alu zu sein (oder Edelstahl).
Du findest in den frei verfügbaren Brewdog-Rezepten jede Menge fassgereifte Rezepte, die - wie Colindo korrekterweise und exakter sagt - zwischen Metall- und Holzfass und das wiederum zwischen neuem und altem Holzfass unterscheiden, wobei es bei letzterem vor allem auf die Vorbelegung ankommt. Die Fassart ist dann immer beschrieben - allerdings nie die Karbonisierung. Da ist hier das Forum bessere Anlaufstelle bei Fragen.

Das PDF von 2019 hierzu ist besser durchsuchbar als die Seite brewdogrecipes.com
https://brewdogmedia.s3.eu-west-2.amazo ... G+-+V8.pdf
Es gibt noch eine 2020-Version, die Quelle ist mir leider verhuscht.

Zur Wortverwendung Cask und Barrel: Ich kann nicht für ganz England oder UK sprechen, bei Brewdog als moderner schottischer Brauerei (deshalb keine britische Scheu vor Holzfässern) fällt aber auf, dass Cask-Aged und Barrel-Aged nicht trennscharf verwendet wird. Cask-Aged kann auch ein altes Holzfass meinen. Barrel bezieht sich dazu oft noch auf einen Fass-Keller. Die sprachliche Trennung ist wohl ein neueres Phänomen und nicht jeder Brauer hält sich daran.

Zum Aroma: Man kann nicht pauschal sagen, dass ein Eichenfass wenig Aroma einträgt, das wird jeder Winzer und Brenner verneinen, es kommt zuletzt auf die Definition an - "wenig", "viel" ist relativ, was man sich eben erwartet. Vielmehr kommt es auf die Holzdicke und als genauere sprachliche Eingrenzung auf die Toastung an. Das ist die Maßeinheit für den Holzgeschmack. Ich verwende mittelgetoastete Fässer und das nur bei sehr schweren Bieren - alles andere wäre zu viel. Bei alten Fässern wiederum ist die Toastung uninteressant, da die meisten Toastaromen in frühere Belegungen diffundiert sind (nutzt sich ab, deswegen nach ca. 3 Belegungen neu toasten). Hier ist es die Vorbelegung wie Whisky, die interessiert. Das ist auch der Grund, warum Braushops aromatisierte Eichenpellets anbieten - gleicher Effekt. (Na ja, fast.)

Die Holzdicke regelt durch kleine Poren den Luftaustausch - die Verdunstung ist bei Holzfässern nicht zu unterschätzen (außer es sind Fässer mit Edelstahlblase). Wenn Dich Holzfässer interessieren, ist Wilhelm Eder für uns Hobbybrauer erste Adresse in Deutschland. Auf Ebay gibt es ein paar Fassbauer aus Bulgarien, die günstig und verlässlich sehr gute Neuware mit bayerischem Anstich in unterschiedlicher Toastung liefern. Kann ich empfehlen.

Cheers
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Re: Cask Ale vs. Bayerischer Anstich

#11

Beitrag von Colindo »

rakader hat geschrieben: Dienstag 6. Mai 2025, 01:56 Zur Wortverwendung Cask und Barrel: Ich kann nicht für ganz England oder UK sprechen, bei Brewdog als moderner schottischer Brauerei (deshalb keine britische Scheu vor Holzfässern) fällt aber auf, dass Cask-Aged und Barrel-Aged nicht trennscharf verwendet wird. Cask-Aged kann auch ein altes Holzfass meinen. Barrel bezieht sich dazu oft noch auf einen Fass-Keller. Die sprachliche Trennung ist wohl ein neueres Phänomen und nicht jeder Brauer hält sich daran.
Hi Radulph, das Stichtwort ist hier Aged. Das weist darauf hin, dass das Bier Aroma vom Fass aufnehmen soll und das geschieht natürlich nur bei Holzfässern, nicht bei Edelstahl. In diesem Thread geht es aber um Cask Ale, ohne Ageing, was eine Bezeichnung für die in England übliche Servierform mit Beer Engine beschreibt.
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Re: Cask Ale vs. Bayerischer Anstich

#12

Beitrag von rakader »

Moin Colindo, ein feiner Unterschied. Du hattest es oben schon erwähnt, hatte ich überlesen. Danke für den Hinweis.
Vielleicht kann ein Fassinteressierter Holz meine Ausführungen trotzdem gebrauchen.
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Re: Cask Ale vs. Bayerischer Anstich

#13

Beitrag von herbie01 »

Colindo hat geschrieben: Sonntag 4. Mai 2025, 20:28 die eine verbliebene Brauerei, die in Holzfässer abfüllt (Sam Smith)
Und was ist mit Theakston? Die sind zumdindest die einzige Brauerei, die noch einen eigenen Küfer hat, dem man vom Besucherzentrum aus durch eine Glasscheibe bei der Arbeit zuschauen kann. Ich kann Dir auch einen Pub empfehlen, wo immer Old Peculier aus dem Holzfass im Angebot ist.

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Re: Cask Ale vs. Bayerischer Anstich

#14

Beitrag von Colindo »

Hi Christian,

du hast natürlich völlig Recht. Beide Brauereien bieten Cask Ale im Holzfass an. Entweder hat mal ein Artikel das falsch formuliert oder ich habe bei all dem Tamtam, das Sam Smith um deren (pseudo-)traditionellen Verfahren macht, einfach erwartet, dass die die einzigen sind. Wer das nachlesen will, die Seite von Theakston ist sehr informativ.
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