Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

Fragen und Diskussion rund um Rezepturen zum Bierbrauen
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Der_Bierfisch
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Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#1

Beitrag von Der_Bierfisch »

Hallo zusammen,

hier in der Gegend gibt es eine Brauerei, welche einmal im Jahr ein sogenanntes "Erntebier" herausgibt und zwar die Brauerei Trunk in Vierzehnheiligen (https://brauerei-trunk.de/unsere-biere/ ). Die Ausgabe ist aufgrund der großen Abnahme (ist sehr lecker) auf 2 Kästen pro Person beschränkt. Mir geht es gar nicht darum das Bier 1:1 nachzubrauen (dafür habe ich es auch viel zu selten getrunken, um da etwas in die Hopfenauswahl etc. reinzuinterpretieren), aber als Zutaten werden angegeben: Wasser, Gerstenmalz, Roggenmalz, Weizenmalz, Hopfen
Und das macht es zu einem spannenden Projekt. :Bigsmile Ich würde es ansonsten als relativ neutral vergoren beschreiben (ich würde eine untergärige Variante anstreben), der Hopfen ist eher in Richtung kräuterig/klassisch. Ich habe allerdings keine Erfahrung mit Roggen- oder Weizenmalz und weiß eigentlich nur, dass das Probleme beim Läutern mit sich bringen kann, deswegen seid jetzt ihr gefragt. :Bigsmile

Ich würde aus dem Bauch heraus eine Schüttung Gerstenmalz / Roggenmalz / Weizenmalz von 70:20:10 nutzen. Das ist allerdings völlig ins Blaue geschossen. Hat da jemand Erfahrung mit und kann das ggf. beurteilen?
Als Gerstenmalz würde ich vielleicht eine 1:1 Mischung Pilsner und Münchner II-Malz wählen, wenn da nichts dagegen spricht?
Maischen würde ich in etwas so:

Einmaischen bei 35 °C (wegen Schleimstoffen im Roggen?)
Eiweißrast bei 57 °C für 10 Minuten
Maltoserast bei 64 °C für 20 Minuten

1/3 als Dickmaische 15 Minuten bei 72 °C verzuckern
Dickmaische anschließend hochheizen und 30 Minuten kochen
Dünnmaische derweil bei 64 °C halten.

Dickmaische zu Dünnmaische brühen und 20 Minuten bei 72 °C halten.
Bei 78 °C abmaischen


Hopfen dachte ich an 90 Minuten Kochzeit und insgesamt 30 IBU.
Vorderwürze: Spalter Select 50 % IBUs
70 Min: Magnum 30 % IBUs
10 Min: Spalter Select 20 % IBUs
Bei den Hopfen habe ich nicht viel Erfahrung, hatte aber mit der oben gezeigten Kombi schon mal gute Erfahrungen gemacht.

Gärung mit der W34/70 bei 8 °C ansetzen, vergären bei ca. 9 Grad und nach ca. 1-1.5 Wochen langsam auf 14 Grad erhöhen.

So, das wäre mein Plan. Was denkt ihr? Ggf. noch Karamalze trotz Dekoktion?

Danke schon mal. :Drink

Beste Grüße
Freddi

Edit: Gärung vergessen.
Zuletzt geändert von Der_Bierfisch am Montag 20. Januar 2025, 22:03, insgesamt 3-mal geändert.
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Barney Gumble
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#2

Beitrag von Barney Gumble »

Klassische Dekoktion check (die Kritik an dem 78 °C Rasten, welcher ich auch fröne wird garantiert gleich kommen..) Hopfenwahl check, Schüttung auch ganz handzahm, mit einem Schlitzbodenläuterbottich gar kein Problem (die Gummirast ist gut), Malzrohranlagennutzer werden evtl was anderes berichten?, alles gut geplant, keine Kritikpunkte

Edit: PS: eine so komplexe Gesamtschüttung kommt mir aber bzgl der Internetseite nicht sehr naheliegend vor, wo ist was beidem Erntebier von Roggen- und Weizenmalz überhaupt erwähnt?
PPS: Caramalz nicht mehr notwendig

Das Wichtigste, die Gärung, welche Hefe, welches T-Programm, umracken ja/nein?

Vg
Shlomo
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#3

Beitrag von Der_Bierfisch »

Hi Shlomo,

danke für das Feedback. Ich habe den Läuterfreund 300, also eine Läuterspirale. Das geht mit 100 % Gerstenmalzschüttungen klasse. Wie gut das Läutern mit dieser Schüttung dann funktioniert, wird sich zeigen müssen..

Ja sorry, die Gärung hatte ich vergessen, genauso wie die genaue Schüttung (Gerstenmalz: Pilsner zu Münchner II 1:1).

Gärung:

Gärung mit der W34/70 bei 8 °C ansetzen, vergären bei ca. 9 Grad und nach ca. 1-1.5 Wochen langsam auf 14 Grad erhöhen bis fertig. Danach auf Keg zur Nachgärung/Zwangscarbonisierung (überlege ich mir noch, da bin ich noch ein wenig hin- und hergerissen) und nach ca. 2 Monaten Lagerzeit per Gegendruck in die Flasche.

Beste Grüße
Freddi
Der_Bierfisch
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#4

Beitrag von Der_Bierfisch »

Barney Gumble hat geschrieben: Montag 20. Januar 2025, 21:26 Edit: PS: eine so komplexe Gesamtschüttung kommt mir aber bzgl der Internetseite nicht sehr naheliegend vor, wo ist was beidem Erntebier von Roggen- und Weizenmalz überhaupt erwähnt?
Das steht auf der Flasche im Original. Warum sie das nicht auf der Internetseite schreiben, weiß ich nicht. :Grübel

Barney Gumble hat geschrieben: Montag 20. Januar 2025, 21:26 PPS: Caramalz nicht mehr notwendig
Alles klar!

Beste Grüße
Freddi
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Barney Gumble
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#5

Beitrag von Barney Gumble »

Ok, ne dann zieh das so durch, Berichte über das Ergebnis
Vg
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renzbräu
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#6

Beitrag von renzbräu »

Steht da auch was von ober- oder untergärig? Weil nach § 9 VorlBierG darf überzeugte Bier nur aus Gerstenmalz hergestellt werden. Und in Bayern und den annektierten Gebieten ist man da ja besonders streng...
Grüße Johannes

- hausgebraut, handgeklöppelt & mundgetrunken -
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#7

Beitrag von Der_Bierfisch »

renzbräu hat geschrieben: Montag 20. Januar 2025, 21:52 Steht da auch was von ober- oder untergärig? Weil nach § 9 VorlBierG darf überzeugte Bier nur aus Gerstenmalz hergestellt werden. Und in Bayern und den annektierten Gebieten ist man da ja besonders streng...
Naja, dann wird es wohl obergärig sein. Ein neutral und halbwegs kühl vergorenes obergäriges, kann gut gekühlt schon mal im untergärigen Gewand daherkommen. :Bigsmile Habe es im Eingangspost mal geändert. Meine Variante soll jedenfalls untergärig werden. :Bigsmile
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#8

Beitrag von Der_Bierfisch »

Barney Gumble hat geschrieben: Montag 20. Januar 2025, 21:38 Ok, ne dann zieh das so durch, Berichte über das Ergebnis
Vg
Werde ich wohl machen!
Nur eine Frage noch zum Brauwasser: gibt es hier etwas spezielles zu beachten aufgrund der Schüttung?

Beste Grüße
Freddi
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#9

Beitrag von Juergen_Mueller »

Wenn dein Bier doch in Richtung Klon gehen soll, würde ich die Schüttung anders wählen.

Im Werbetext der Brauerei ist von der "Farbe vollreifer Ähren" die Rede. Mit Müma 2 wird das zu dunkel.

Meine Empfehlung wäre 60% Pilsner, 20% Roggen hell und 20% Weizenmalz hell. Der höhere Weizenmalzanteil sollte schon noch mehr Getreidenoten ins Bier bringen. Mit Roggen habe ich allerdings keine Erfahrung.

Zum Wasser: Eine RA von 0-5 sollte passen, insbesondere bei Dekoktion.
Zur Gärung: 9°C erfordert meist einen guten Starter oder den Einsatz geernteter Hefe. Mit der W34/70 habe ich auch bei 12 Grad keine Bedenken.

My 2 ct

EDIT: Ach so, die Stammwürze würde ich im Exportbereich erwarten, etwa 12,5 P.
Kompetent im Promillebereich
Gruß
Jürgen
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Pivnice
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#10

Beitrag von Pivnice »

Der_Bierfisch hat geschrieben: Montag 20. Januar 2025, 21:18 Mir geht es gar nicht darum das Bier 1:1 nachzubrauen ... als Zutaten werden angegeben: Wasser, Gerstenmalz, Roggenmalz, Weizenmalz, Hopfen
Und das macht es zu einem spannenden Projek
Hallo Freddi
Ich schließe mich Juergens Empfehlung für 20% Roggenmalz hell beim ersten Sud an
Keine Karamellmalze.
Lesenswert -> aus den Archiven von hobbybrauer.de
Mythos Roggenbier – oder vielleicht doch keiner ?
viewtopic.php?p=48701#p48701
... sei darauf hingewiesen, dass Roggenbiere über einen angenehmen fruchtigen Charakter verfügen, welcher sich mit entsprechender obergäriger Weißbierhefe durchaus noch anheben lässt.
Hubert
Bier: Einfach zu brauen, schwierig zu verstehen
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#11

Beitrag von Der_Bierfisch »

Hallo zusammen,

danke für die Antworten! :Smile
Juergen_Mueller hat geschrieben: Dienstag 21. Januar 2025, 10:10 Wenn dein Bier doch in Richtung Klon gehen soll, würde ich die Schüttung anders wählen.

Im Werbetext der Brauerei ist von der "Farbe vollreifer Ähren" die Rede. Mit Müma 2 wird das zu dunkel.

Meine Empfehlung wäre 60% Pilsner, 20% Roggen hell und 20% Weizenmalz hell. Der höhere Weizenmalzanteil sollte schon noch mehr Getreidenoten ins Bier bringen. Mit Roggen habe ich allerdings keine Erfahrung.


EDIT: Ach so, die Stammwürze würde ich im Exportbereich erwarten, etwa 12,5 P.
Habe ich mal mit einfließen lassen. 100 % Pilsner beim Gerstenmalz möchte ich nur nicht verwenden (wird mir dann zu hell), habe deswegen jetzt zumindest das Münchner II Malz gegen Wiener Malz getauscht. Den Weizenmalz-Anteil habe ich angehoben.
Entspricht nun:
30 % Pilsner Malz, 30 % Wiener Malz, 20 % Roggenmalz, 20 % Weizenmalz.
Stammwürze habe ich auf 12.5 P gehoben. Auch habe ich die IBUs in meiner Planung minimal auf 28 gesenkt, damit es nicht zu bitter wird.
Juergen_Mueller hat geschrieben: Dienstag 21. Januar 2025, 10:10
Zum Wasser: Eine RA von 0-5 sollte passen, insbesondere bei Dekoktion.
Alles klar, wird so angepeilt. Ist auch so das, was ich nun bzgl. Wasseraufbereitung bei den meisten Lagerbieren gefunden habe.

Juergen_Mueller hat geschrieben: Dienstag 21. Januar 2025, 10:10
Zur Gärung: 9°C erfordert meist einen guten Starter oder den Einsatz geernteter Hefe. Mit der W34/70 habe ich auch bei 12 Grad keine Bedenken.
Nachdem mein letzter Sud mit der W34/70 innerhalb weniger Stunden angekommen und relativ gut durchgegoren ist bei 9 Grad, würde ich es wieder so handhaben. Später hebe ich die Temperatur dann schrittweise an. Aber ja hast Recht, beim letzten Sud hatte ich einen Starter gemacht. So schnell wie in dem Sud ist die bei mir noch nie angekommen. :Bigsmile Und konzentrierte und zur Verdünnung bereite Starterwürze ist eh noch im Froster. :Bigsmile
Pivnice hat geschrieben: Dienstag 21. Januar 2025, 17:54
Ich schließe mich Juergens Empfehlung für 20% Roggenmalz hell beim ersten Sud an
Keine Karamellmalze.
Wird gemacht! :thumbsup
Pivnice hat geschrieben: Dienstag 21. Januar 2025, 17:54
Lesenswert -> aus den Archiven von hobbybrauer.de
Mythos Roggenbier – oder vielleicht doch keiner ?
viewtopic.php?p=48701#p48701
... sei darauf hingewiesen, dass Roggenbiere über einen angenehmen fruchtigen Charakter verfügen, welcher sich mit entsprechender obergäriger Weißbierhefe durchaus noch anheben lässt.
Sehr interessanter Artikel! Nichtsdestotrotz mag ich die untergärige Brauweise einfach zu gerne. Ich bin eben ein Franke, was will man machen. :redhead :Bigsmile

Danke noch mal an alle. Es ist jetzt alles bestellt. Wird aber vermutlich erst gegen März gebraut (vorher ist noch ein anderer Sud geplant). Ich werde berichten! :Smile

Beste Grüße
Freddi
Der_Bierfisch
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#12

Beitrag von Der_Bierfisch »

Hallo zusammen,

so, lang ist meine letzte Antwort hier schon wieder her und ich bin in der Zwischenzeit dazu gekommen, das Bier zu brauen und wollte hier mal berichten:

Maischearbeit: Wie oben beschrieben, habe ich verschiedene Rasten gefahren und auch eine Dickmaische gezogen und gekocht. Mit Rührwerk hatte ich erstmal keine Probleme:
Bier 1.jpg
Interessant wurde es beim Dokoktionsschritt. Ich habe ca. 7 L Dickmaische gezogen und in einem 11 L Topf auf einer Induktionsplatte erhitzt unter ständigem händischen Rühren. Mir ist dann beim Kochen der Dickmaische aufgefallen, dass hier (im Gegensatz zu reinem Gerstenmalz im Topf) regelmäßiges Rühren doch recht wichtig zu sein scheint, da sich das Material am Boden abzusetzen scheint. Also alle 1-2 Minuten gut aufgerührt, um ein Anbrennen zu verhindern.

Läutern: Die Vorderwürze war sehr trüb. Ich habe das Ganze sicher 10-15 mal je 500 mL durchlaufen lassen, aber die Trübe, welche man auf dem Bild sieht, war trotzdem das Optimum. Besser wurde es dann nicht mehr.
Bier 3.jpg
Aber gut, trübe Würze ist ja erstmal nicht tragisch. An sich lief das Läutern ok. Etwas langsamer als gewohnt, aber völlig im Rahmen, was mich selbst überrascht hat. Es könnte höchstens sein, dass sich Kanäle im Treberbett gebildet haben, die zu der trüben Würze und der brauchbaren Läutergeschwindigkeit geführt haben. Letztlich ist es aber auch egal.. :Bigsmile

Kochen:

Erst beim Hopfenkochen kam dann die große Überraschung. Ich habe unter Rührung durchs Rührwerk aufgeheizt bis 100 °C und habe das Rührwerk dann entfernt. Ich habe dann nach ca. einer halben Stunde aber gemerkt, dass mein Einkocher immer mal wieder ausgeht, was er vorher nie gemacht hatte. Ich habe dann etwas verzweifelt herumgerührt und dabei festgestellt, dass wohl etwas unten ganz leicht angebrannt war. Nach dem Rühren und dem leichten Abschaben am Boden ging der Einkocher auch direkt wieder an. Also alle 3-4 Minuten wieder den Boden freigerührt. Ich habe mich dann auch etwas ärgerlich daran erinnert, dass genau davor im oben verlinkten Roggen-Bier-Artikel gewarnt wurde. :Ahh Mit Gerstenmalz hatte ich das Problem eben noch nie. Da hat die natürliche Vermischung bei Kochung immer ausgereicht. Sah dann danach leider so aus:
Bier 2.jpg
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich hatte riesiges Glück. Es hat sich weder der Geruch, noch der Geschmack von Verbranntem im Bier breit gemacht. Fürs nächste Mal weiß ichs. :redhead

Was dann auch sehr komisch war, war die Stammwürze. Bei geplanten 12.5 °P, bin ich bei 14.3 °P gelandet. Brewfather hat mir eine Maischeeffizienz von 100 % und eine Gesamteffizienz von 94 % attestiert, was ja absolut nicht sein kann. Ich weiß nicht, wo hier das Problem liegen könnte. Ich bestelle die passenden Mengen immer vorportioniert und vorgeschrotet. Normalerweise wiege ich immer nach, dieses Mal dachte ich mir aber "wird schon passen so". Vielleicht wurde hier auch bei irgendeinem der Malze, oder allen, ein bisschen mehr reingepackt. Ich werde es wohl nie herausfinden. Anyways, ich hab´s dann trotzdem nicht verdünnt und so gelassen.

Dann gings ans Abkühlen, (Mikrofilament-)Filtern und Gären. Da mein Gefrierfach ausgefallen ist und ich so nicht genügend Eis für meine Tauchpumpe hatte, habe ich es mit Mühe und Not auf 18 °C abgekühlt und dann im Kühlschrank über Nacht auf 8 Grad. Den Gärstarter habe ich dann ebenfalls bei 8 °C am nächsten Tag vormittags dazu. Ich weiß, nicht ideal, aber was solls.

Die Gärung verlief problemlos, da ist mir nichts negatives aufgefallen. Nach der Hauptgärung sah es dann so aus:
Bier 4-2.jpg
Eine schöne Schaumkrone und auch schon sehr lecker.

Das Ganze ging dann mit Speise ins Fass, hat ca. 3 Wochen nachgegärt und wurde dann noch 4 Wochen bei ca. 0 °C gelagert und dann mittels Gegendruckabfüller auf Flaschen gedrückt.

Das war dann das Endergebnis:
Bier 5.jpg
Nach wie vor sehr trüb. Ich schätze, das kommt durch den relativ hohen Weizen- und Roggenanteil. Meine anderen Biere (ausschließlich Gerstenmalz) klären normal deutlich schneller (4 Wochen reichen da in der Regel).
Aber zum Geschmack:
Es ist erfreulicherweise recht lecker und brotig geworden. Es hat eine gewisse fruchtige Komponente, aber nicht estrig fruchtig, wie man das von zu hoher Gärtemperatur kennt, sondern irgendwie anders. Schwer zu beschreiben. Ich schätze, das kommt vom Roggen, da ich ähnliches darüber gelesen habe. Super interessant finde ich auch das Mundgefühl, das ich so von reinen Gerstenmalzbieren nicht kenne. Es ist sehr vollmundig und hinterlässt irgendwie ein samtiges Mundgefühl, ähnlich zu einem guten Weizenbier. Ich schätze entsprechend, dass das durch den doch recht hohen Weizenanteil kommt. Die Bittere finde ich auch gut so. Ggf. hätte man das Ganze minimal weniger bitter machen können, wenn es etwas süffiger sein soll, aber alles in allem ein sehr leckeres Bier. :Drink
Ich kann mir auch vorstellen, dass diese Kombi sich (ggf. als etwas dunklere) Version gut eignen könnte, ein Leichtbier zu machen. Aber da stecke ich noch am Anfang der Planungsphase. :Bigsmile
Danke jedenfalls noch mal an alle!

Beste Grüße
Freddi
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Juergen_Mueller
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#13

Beitrag von Juergen_Mueller »

Danke für dein Update und die schöne Braudoku!

Hier mal eine Hypothese:

Möglicherweise steht die Trübung im Wechselspiel mit dem Mundgefühl bei Roggenbieren. Der höhere Anteil an Schleimstoffen gibt zwar die erstrebte Samtigkeit, führt aber auch zu verstärkter Trübung.
Eventuell hätte eine längere Eiweißrast bei 55°C für eine bessere Klärung gesorgt, aber dann wohl auch für eine geringere "Weichheit" auf der Zunge.

Hypothese aus:

Ich muss unbedingt auch mal ein Roggenbier brauen...
Kompetent im Promillebereich
Gruß
Jürgen
williams.rorvik
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#14

Beitrag von williams.rorvik »

Hallo zusammen

Weiter oben wurde geschrieben, dass hier Caramalze nicht notwendig sind. Was spricht gegen z.B. 10 oder 15% Carahell?
Auf MMUM gibt es Roggenbierrezepte, die einiges an Carahell enthalten.

Gruss
Frank
Der_Bierfisch
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#15

Beitrag von Der_Bierfisch »

Hallo zusammen,
Juergen_Mueller hat geschrieben: Donnerstag 3. Juli 2025, 11:26 Danke für dein Update und die schöne Braudoku!

Hier mal eine Hypothese:

Möglicherweise steht die Trübung im Wechselspiel mit dem Mundgefühl bei Roggenbieren. Der höhere Anteil an Schleimstoffen gibt zwar die erstrebte Samtigkeit, führt aber auch zu verstärkter Trübung.
Eventuell hätte eine längere Eiweißrast bei 55°C für eine bessere Klärung gesorgt, aber dann wohl auch für eine geringere "Weichheit" auf der Zunge.
Das kann natürlich sein. Wenn es an den Schleimstoffen liegt, hätte ich aber vermutlich eher die Gummirast bei 35 Grad noch etwas halten können. Ggf. Lieber mal 10 Minuten halten, als nur bei der Temperatur einzumaischen. Würde ich bei einem zweiten Versuch wohl auch so machen und schauen, was es mit dem Mundgefühl macht.
Eine längere Eiweißrast würde ich wahrscheinlich eher nicht machen, sonst könnte der Schaum zu sehr leiden. Sind ja eh schon 10 Minuten.
Juergen_Mueller hat geschrieben: Donnerstag 3. Juli 2025, 11:26 Hypothese aus:

Ich muss unbedingt auch mal ein Roggenbier brauen...
Ist sehr zu empfehlen. :Bigsmile ich finde es generell spannend Biere zu brauen, die man nicht einfach in jedem Supermarkt kaufen kann, aber trotzdem geschmacklich relativ Massentauglich sind (zumindest hier in Oberfranken :Bigsmile ). (Wenn ich da an das Stout denke, dass ich mal gebraut habe.... das möchten dann doch eher die wenigsten :Bigsmile )

williams.rorvik hat geschrieben: Donnerstag 3. Juli 2025, 14:17 Hallo zusammen

Weiter oben wurde geschrieben, dass hier Caramalze nicht notwendig sind. Was spricht gegen z.B. 10 oder 15% Carahell?
Auf MMUM gibt es Roggenbierrezepte, die einiges an Carahell enthalten.

Gruss
Frank
Hintergrund ist der Dekoktionsschritt. Durch das Kochen der Dickmaische wird ein Teil der Kohlenhydrate bereits karamelisiert. Wenn dann noch Karamalze dazu kommen, kann es ab einem gewissen Punkt ein wenig zu mastig/süß werden. Das wollte ich nicht riskieren. Man könnte natürlich versuchen auf die Dekoktion zu verzichten und das mit 5-10 % Karamalz zu kompensieren. Wird aber geschmacklich wohl etwas anders werden. Ob schlechter müsste man testen.
Ich denke aber jetzt auch speziell für das Rezept hier, dass man bei tatsächlichen 12-12.5 °P durchaus noch ein paar % Karamalze mit hinzu hätte geben können, wenn man das möchte, ohne dass es zuviel wäre. Aber 10-15 % wäre aus meiner Sicht zuviel. Das Bier ist so schon nicht gerade trocken.

Beste Grüße
Freddi
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#16

Beitrag von Colindo »

Der_Bierfisch hat geschrieben: Samstag 5. Juli 2025, 12:51 Das kann natürlich sein. Wenn es an den Schleimstoffen liegt, hätte ich aber vermutlich eher die Gummirast bei 35 Grad noch etwas halten können. Ggf. Lieber mal 10 Minuten halten, als nur bei der Temperatur einzumaischen. Würde ich bei einem zweiten Versuch wohl auch so machen und schauen, was es mit dem Mundgefühl macht.
Tatsächlich sollte man die Gummirast bei Roggen sehr lange halten. Habe das schon länger nicht mehr recherchiert, aber die Quellen, die ich vor ein paar Jahren gefunden hatte, sprachen meist von so ca. 30 Minuten. Ich war aber mit 15 Minuten schon sehr zufrieden (bei 33-50% Roggenanteil). Nur Einmaischen ist definitiv zu kurz.
Der_Bierfisch hat geschrieben: Samstag 5. Juli 2025, 12:51 Hintergrund ist der Dekoktionsschritt. Durch das Kochen der Dickmaische wird ein Teil der Kohlenhydrate bereits karamelisiert. Wenn dann noch Karamalze dazu kommen, kann es ab einem gewissen Punkt ein wenig zu mastig/süß werden. Das wollte ich nicht riskieren. Man könnte natürlich versuchen auf die Dekoktion zu verzichten und das mit 5-10 % Karamalz zu kompensieren. Wird aber geschmacklich wohl etwas anders werden. Ob schlechter müsste man testen.
Du hast Recht, dass man bei Dekoktion weniger Karamellmalze benutzen sollte, aber nur um Verwirrung zu vermeiden: Bei der Dekoktion karamellisieren keine Zucker. 100°C sind dafür zu wenig. Die niedrigste Karamellisierungstemperatur ist die von Fruktose bei 115°C, der Temperatur für englischen Invertzucker. Was bei der Dekoktion passiert sind Maillardreaktionen und die sind z.B. stark pH-abhängig. Wie viel Eintrag du durch deine Dekoktion hattest, kannst du an der Zufärbung im Vergleich zu einem Bier ohne Dekoktion feststellen. Mit niedrigem Maische-pH und kurzer Dauer kann das auch schon mal nicht signifikant sein, mit höherem pH und längerer Dauer leistet es dann einen geschmacklichen Beitag.
Zuletzt geändert von Colindo am Sonntag 6. Juli 2025, 20:03, insgesamt 1-mal geändert.
Auf Youtube: The British Pint
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#17

Beitrag von olibaer »

Colindo hat geschrieben: Sonntag 6. Juli 2025, 10:44 Du hast Recht, dass man bei Dekoktion weniger Karamellmalze benutzen sollte, aber nur um Verwirrung zu vermeiden:
Bei der Dekoktion karamellisieren keine Zucker. 100°C sind dafür zu wenig.

Die niedrigste Karamellisierungstemperatur ist die von Fruktose bei 115°C, der Temperatur für englischem Invertzucker.
Was bei der Dekoktion passiert sind Maillardreaktionen und die sind z.B. stark pH-abhängig.
Sehr schön und auf den Punkt gebracht.

Zur Überprüfung könnte man ja 200 g Zucker in ein sprudelndes Nudelwasser geben (Stärke, Eiweiß, Zucker -> Würzecharakter) und nach 15 min. Kochdauer überprüfen, ob die Nudeln schon karamellisiert sind ;-)
Gruss
Oli
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#18

Beitrag von rakader »

Der_Bierfisch hat geschrieben: Montag 20. Januar 2025, 22:02
renzbräu hat geschrieben: Montag 20. Januar 2025, 21:52 Steht da auch was von ober- oder untergärig? Weil nach § 9 VorlBierG darf überzeugte Bier nur aus Gerstenmalz hergestellt werden. Und in Bayern und den annektierten Gebieten ist man da ja besonders streng...
Naja, dann wird es wohl obergärig sein. Ein neutral und halbwegs kühl vergorenes obergäriges, kann gut gekühlt schon mal im untergärigen Gewand daherkommen. :Bigsmile Habe es im Eingangspost mal geändert. Meine Variante soll jedenfalls untergärig werden. :Bigsmile
Also so streng ist man in Bayern nicht überall, das ist ein Gerücht. Hier im Landkreis gibt es eine Brauerei, Apostelbräu, die etwas ähnliches machen und damit in den USA enorm erfolgreich sind. Die experimentieren mit schwarzem Hafer, Dinkel, Roggen und Urgetreide wie Einkorn bis hin zum 5-Korn. @Bierfisch - Vielleicht bekommst Du dort noch etwas Inspiration: https://brauliebe.de/brauerei

Gruß
Radulph
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#19

Beitrag von rakader »

olibaer hat geschrieben: Sonntag 6. Juli 2025, 20:01
Colindo hat geschrieben: Sonntag 6. Juli 2025, 10:44 Du hast Recht, dass man bei Dekoktion weniger Karamellmalze benutzen sollte, aber nur um Verwirrung zu vermeiden:
Bei der Dekoktion karamellisieren keine Zucker. 100°C sind dafür zu wenig.

Die niedrigste Karamellisierungstemperatur ist die von Fruktose bei 115°C, der Temperatur für englischem Invertzucker.
Was bei der Dekoktion passiert sind Maillardreaktionen und die sind z.B. stark pH-abhängig.
Sehr schön und auf den Punkt gebracht.

Zur Überprüfung könnte man ja 200 g Zucker in ein sprudelndes Nudelwasser geben (Stärke, Eiweiß, Zucker -> Würzecharakter) und nach 15 min. Kochdauer überprüfen, ob die Nudeln schon karamellisiert sind ;-)
Maillard hat nichts mit Karamellisierung zu tun. Schon klar? Die Prozesse laufen nur teilweise parallel ab. Wie also soll bei der Dekoktion eine besondere Maillardreaktion möglich sein? Die Maillardreaktion erfolgt bei pH 7-9 bei 140 °C (manche sagen 137 °C). Und Maillard möchte eine Ammoniumquelle haben. Natürlich geschieht dies schon vorher bei niedriger Temperatur, aber sehr langsam und dieses langsam verlangsamt sich noch einmal bei sinkendem ph-Wert. Ein basischer pH-Wert, z.B. durch Natron, Kalk beschleunigt den Prozess, das macht man sich u.a. bei belgischem Brauzucker mit einer Phosphatquelle zunutze. Bei Fleisch geht die Reaktion wegen seiner Aminosäuren schneller und niedertemperaturiger als bei Malz. Natürlich ist Zeit ein wichtiger Faktor, man müsste bei einem Maische-pH von 5.5 schon sehr lange maischen, dass da ausgewiesene Maillardprodukte entstehen.
Ich habe vor einiger Zeit dazu eine Serie zu Zuckern und Reaktionen geschrieben, nachzulesen etwa hier: https://stubbyhobbs.de/alles-zucker-2/

Karamellisierung hat auch nichts mit Invertierung zu tun. Invertzucker Stufe 0 hat null Karamellaroma. Zwar steht bei der Invertierung auf Zuckerthermometern 117 °C, aber die Invertierung von (englischem Brau-)Zucker – ein Zweifachzucker spaltet sich in Einfachzucker (Fructose/Glukose) auf – wird durch Säure und Wärme beschleunigt, ist aber nicht zwingend an eine bestimmte Temperatur gebunden. Mit 1 TL Zitronen- oder Milchsäure bei 117 °C und 1 kg Zucker und 400 ml Wasser kann man das nur sehr genau timen (Klärung) und bekommt einen hellgelbem Brewers' Invert No.1 oder bei 132 °C einen Brewer's Invert No.2 etc. Ich kann einen Invertzucker auch über Stunden unter 117 °C bei gleichbleibendem Zucker-Wasser-Verhältnis auf dem Herd machen. Auch Zuckerkonzentration und Meereshöhe spielt eine Rolle; bei 80% Zucker genügen 106 °C für Invertierung - Amis nennen das "Thread".
Mehr zu englischem Brauzucker hier: https://stubbyhobbs.de/alles-zucker-1/

Gruß
Radulph
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#20

Beitrag von Juergen_Mueller »

Nun, wenn es weder eine Maillard-Reaktion ist noch die Karamellisierung, was passiert denn dann bei der Dekoktion?

Sind es schlicht mehr Gerbstoffe, die aus den Spelzen oder dem Zellulose-Körper des Malzes freigesetzt werden? Sie könnten dann für den "kernigen" Charakter sorgen, den manche empfinden.

Sorry, falls Off-Topic!
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Gruß
Jürgen
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#21

Beitrag von Colindo »

Juergen_Mueller hat geschrieben: Montag 7. Juli 2025, 08:11 Nun, wenn es weder eine Maillard-Reaktion ist noch die Karamellisierung, was passiert denn dann bei der Dekoktion?
Tut mir leid das so hart sagen zu müssen, denn Radulph schreibt viel korrektes Basiswissen in seinem Post, aber der Teil über Maillard-Reaktionen ist an den Haaren herbeigezogen. Diese finden ständig und überall statt, wo Aminosäuren auf Zucker treffen, pH und Temperatur bestimmen einzig das Tempo. Wenn Malz gedarrt wird, dann entsteht die Farbe von z.B. Münchner Malz durch langes Darren bei 85°C-100°C und das ist eine Maillard-Reaktion. Melanoidinmalz nutzt die ebenso. Belgische Brauzucker, wie Radulph schreibt, ebenfalls, wobei das da eben durch die hohe Temperatur schneller geht.

Olis Reaktion auf meinen Post zeigt ja schon, wie wichtig es ist, hier auf die Details hinzuweisen. Wenn du es selber testen willst, koch eine Dickmaische bei pH 5,8 oder sogar 6,0 mal eine halbe Stunde und du wirst eine heftige Zufärbung bemerken. Da braucht dann keiner kommen und sagen, Maillard geht erst ab 137°C.
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#22

Beitrag von rakader »

Schreibt ja auch niemand, dass Maillard nur bei 137 °C geht. Es geht bei Maillard um Zeit und um Enzyme und Phosphatquellen als Beschleuniger. Der Maischeprozess selbst ist sauer, also ein Gegner von Maillard. Das mit den Maillardaromen durch die Mälzung ist richtig - das spricht eher für Karamellmalze als für die Schüttung einer üblichen Dekoktion. Da muss also noch etwas anderes passieren. Hat jemand einen Kunze zur Hand, der sollte sich doch dazu geäußert haben, was einen Schritt weiter als ein Standardwerk der Lebenmittelchemie beim Spezialfall Bier geht?

Der Hinweis von Jürgen ist übrigens aus meiner Sicht nicht verkehrt: neben den Gerbstoffen können auch Aschebestandteile des Malzprozesses eine Maillardproduktion oder eben den "kernigen Charakter" - was auch immer das ist - befördern, das ist z.B. bei Muscovado- und Demerara-Zucker der Fall; wie das beim Gerstenkorn gelagert ist, weiß ich nicht. Jedenfalls muss man tiefer in die Malzanalyse eintauchen, um die Aromatik einer Dekoktion zu erklären. Kleiner Nachtrag: Bitte nicht bei pH 6,0 testen, das ist das Wichtigtun eines Youtubers wie auch die Benutzung von pH-Teststreifen nicht als Grundlage für kompetente Aussagen gelten können.
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#23

Beitrag von rakader »

Nachtrag zur Maillard-Reaktion und bei Dekoktion nach Kunze:
Ich habe jetzt bei Kunze nachgeschaut. Man kann den Wunsch nach Maillardprodukten bei der Dekoktion wie behauptet nicht absolut setzen. Um es kurz mit Kunze Bd.2, S. 156ff zu sagen: Bei hellen Malzen nein, bei dunklen Malzen ja. Maillard ist wegen ihrer Wirkung auf Alterungsprozesse durch Alterungscarbonyle (S. 156ff und S. 468) unerwünscht. Dass bei der Dekoktion helle Malze durch die thermische Belastung dunkle Karamellmalze ersetzen, ist damit wohl strittig und Legende. Nach Kunze versucht man beim Mälzen von hellen Basismalzen genau diese Maillardprodukte zu vermeiden! Also finden, wie von Colindo mit gutem Basiswissen behauptet, bei 85-100 °C beim Darren außer Spezialmalzen eben keine gesteigerten Maillardreaktionen statt; das Gegenteil ist Ziel der Qualitätsbestrebungen.

Hauptverantwortlich für Maillardaromen (fortan Maillard) ist nach Kunze die thermische Belastung beim Darren. Dafür gibt es sogar eine Maßeinheit, die Thiobarbitursäurezahl TBZ. Sie korreliert mit dem Eiweißlösungsgrad. Bei dunklen Malz sind vor allem die in der Schwelkphase 35-50 °C gebildeten Ausgangsprodukte Grundlage der späteren Maillardreaktion beim Abdarren:
Da die Maillard-Produkte Farb- und Aroma-Stoffe sind, ist man daran interessiert, bei dunklem Malz viel von diesen Stoffen zu bilden und bei hellem Malz die Bildung von Maillard-Produkten zu vermeiden.

Maillard-Produkte bilden sich aus Zuckern und Aminosäuren bei höheren Temperaturen. Wenn man die Bildung dieser Stoffe vermeiden will, muß man die Bildung ihrer Ausgangsprodukte (weitgehend) verhindern oder zumindest einschränken. Da die Zucker die wichtigsten Grundstoffe für die weitere Verarbeitung sind, muß man versuchen, wenigstens die Bildung von Eiweiaßbbauprodukten weitgehend zu reduzieren. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten und Maßnahmen, um beim Mälzen einen niedrigen Gehalt an Maillard-Produkten zu erreichen.
Er weist S. 271 in diesem Zusammenhang auf die Problematik von Malzextrakt hin, das bei der Herstellung Unmengen von Maillard durch Verdampfen entwickelt. Abgeleitet steht das also der oben von Colindo angesprochenen Testung entgegen - das Ergebnis wäre gerade bei einem Testsud verfälschend.

Es muss also wohl mit der Legende aufgeräumt werden, dass bei Dekoktion Maillard erwünscht und begünstigt ist (vgl. S. 469) :
Einen ganz wesentlichen Einfluß auf die Ausbildung des Alterungsgeschmackes haben die Maillard-Produkte, die insbesondere beim Darren und Würzekochen entstehen. Dabei spielen die Ausbildung der Vorstufen (Aminosäuren) und die gesamte thermische Belastung des Malzes beim Darren (s. Kap. 2.5.1.3) und der Würze beim und nach dem Würzekochen eine wesentliche Rolle. Da sich ein wesentlicher Teil der Maillard-Reaktionsprodukte bereits beim Mälzen bildet und später nicht mehr reduziert werden kann, wird ein wichtiger Bestandteil der Bierqualität bereits vorher festgelegt und muß beachtet werden.
Anhänger der Dekoktion (ich bin auch einer) müssen jetzt tapfer sein: Mit keinem Wort bringt Kunze Dekoktion mit Maillard in Verbindung. Er sieht Dekoktion überwiegend negativ - wegen seines Energieverbrauchs.

Ich komme derweil daher zum Schluss, dass es andere Stoffe, wie von Jürgen beschrieben, sind, die die Aromatik von Dekoktion interessant machen. Vielleicht können die studierten Brauer hierzu mehr Erhellendes beitragen.

Gruß
Radulph
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#24

Beitrag von §11 »

Anhänger der Dekoktion (ich bin auch einer) müssen jetzt tapfer sein: Mit keinem Wort bringt Kunze Dekoktion mit Maillard in Verbindung. Er sieht Dekoktion überwiegend negativ - wegen seines Energieverbrauchs.
Man muss dabei Kunze und auch Narziss vor dem richtigen Hintergrund interpretieren. Beide beschäftigen sich vor allem mit hellem, untergärigem Bier. Hier wurde Dekoktion tatsächlich lange Zeit als veraltet angesehen. Sie kostet viel Energie, sorgt für Zufärbung und die Spelzenauslaugung sorgt für Aromen die dem gewollten Aroma der schlanken hellen UG Biere der 1990er und 2000ern entgegen stehen.

Cheers

Jan
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#25

Beitrag von VolT Bräu »

Colindo hat geschrieben: Sonntag 6. Juli 2025, 10:44 Was bei der Dekoktion passiert sind Maillardreaktionen und die sind z.B. stark pH-abhängig. Wie viel Eintrag du durch deine Dekoktion hattest, kannst du an der Zufärbung im Vergleich zu einem Bier ohne Dekoktion feststellen. Mit niedrigem Maische-pH und kurzer Dauer kann das auch schon mal nicht signifikant sein, mit höherem pH und längerer Dauer leistet es dann einen geschmacklichen Beitag.
Als interessierter Mitleser möchte ich da jetzt noch einmal nachhaken. Obige Aussage war doch Anstoß der Maillard-Diskussion. Ich konnte da jetzt keine wirklich schlüssigen Gegenargumente finden in den Beiträgen und Zitaten darunter.
Wenn etwa ein Fachbuchautor Dekoktion nicht empfiehlt und Maillard-Reaktionen vermeiden möchte, dann steht das ja nicht im Widerspruch zu der oben zitierten Aussage? Oder geht es insgesamt gar nicht um das "ob", sondern nur wie wichtig/relevant der Beitrag der Maillard-Reaktionen bei der Dekoktion ist?
Gibt es da einen Experten, der sich festlegen möchte? :Smile
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#26

Beitrag von rakader »

VolT Bräu hat geschrieben: Dienstag 8. Juli 2025, 16:22 Wenn etwa ein Fachbuchautor Dekoktion nicht empfiehlt und Maillard-Reaktionen vermeiden möchte, dann steht das ja nicht im Widerspruch zu der oben zitierten Aussage? Oder geht es insgesamt gar nicht um das "ob", sondern nur wie wichtig/relevant der Beitrag der Maillard-Reaktionen bei der Dekoktion ist?
Gibt es da einen Experten, der sich festlegen möchte? :Smile
Bei Dekoktion passiert eben weniger oder keine Maillard-Reaktion wenn man davon ausgeht überlicherweise Cara-Malze in der Schüttung zu vermeiden. Dass Dekoktion mit besonderer Maillard-Reaktion gleichzusetzen ist, das ist eine Legende, wie ich versucht habe in #19, #22 und #23 darzulegen; aber irgendwie die diese brewers legend zählebig. Eher deutet viel auf das Auslaugen der Spelzen hin, wie von Jürgen in #20 angeführt und soeben von Jan in #24 bestätigt.

Gruß
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Re: Bier aus Gersten-, Roggen- und Weizenmalz

#27

Beitrag von Colindo »

VolT Bräu hat geschrieben: Dienstag 8. Juli 2025, 16:22
Colindo hat geschrieben: Sonntag 6. Juli 2025, 10:44 Was bei der Dekoktion passiert sind Maillardreaktionen und die sind z.B. stark pH-abhängig. Wie viel Eintrag du durch deine Dekoktion hattest, kannst du an der Zufärbung im Vergleich zu einem Bier ohne Dekoktion feststellen. Mit niedrigem Maische-pH und kurzer Dauer kann das auch schon mal nicht signifikant sein, mit höherem pH und längerer Dauer leistet es dann einen geschmacklichen Beitag.
Als interessierter Mitleser möchte ich da jetzt noch einmal nachhaken. Obige Aussage war doch Anstoß der Maillard-Diskussion. Ich konnte da jetzt keine wirklich schlüssigen Gegenargumente finden in den Beiträgen und Zitaten darunter.
Wenn etwa ein Fachbuchautor Dekoktion nicht empfiehlt und Maillard-Reaktionen vermeiden möchte, dann steht das ja nicht im Widerspruch zu der oben zitierten Aussage? Oder geht es insgesamt gar nicht um das "ob", sondern nur wie wichtig/relevant der Beitrag der Maillard-Reaktionen bei der Dekoktion ist?
Gibt es da einen Experten, der sich festlegen möchte? :Smile
Du hast vollkommen Recht. Leider wird das Thema von Radulph völlig zerredet und in dem Versuch, hier nicht loszuschimpfen, halte ich mich zurück. Wie du erkannt hast sagen seine Zitate überhaupt gar nichts gegen das Eintreten von Maillard-Reaktionen bei Dekoktion. Stattdessen zitiert er Passagen, die beim Mälzen heller Malze empfehlen, Maillard-Reaktionen zu reduzieren. Oh Wunder, sollen die Malze doch hell bleiben. Was das mit Dekoktion zu tun haben soll, weiß nur er. Stattdessen liefert er aber einen wichtigen Hinweis ohne es zu bemerken.
rakader hat geschrieben: Montag 7. Juli 2025, 12:28 Er weist S. 271 in diesem Zusammenhang auf die Problematik von Malzextrakt hin, das bei der Herstellung Unmengen von Maillard durch Verdampfen entwickelt.
Da steht wieder, neben den vielen Beispielen, die ich geliefert habe, dass bei niedrigen Temperaturen im Kochbereich von Wasser bzw. Würze vermehrt Maillard-Reaktionen auftreten.

Ich verstehe sowieso nicht, warum Radulph überhaupt an dem Thema zweifelt. Dass die zwei Hauptreaktionen in Würze bzw. Malz Karamellisierung und Maillard sind steht in jedem Grundlagenbuch. Mir war es wichtig darauf hinzuweisen, dass bei der Dekoktion die Karamellisierung aufgrund der Temperaturschwelle zu vernachlässigen ist. Quellen dazu kann Radulph sich ja heraussuchen ohne die ganzen nicht-relevanten Stellen abtippen zu müssen.
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