warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Hallo,
meine Tochter hatte eine schwere Nacht, ich musste in's Gästezimmer umziehen, von wo ich das liebliche Blubbern meines Gärfasses gehört habe. Im Halbschlaf habe ich nachgedacht: woher kommen eigentlich die unterschiedlichen Vergärungsgrade bei verschiedenen Hefen?
Ich beschränke meine Überlegungen auf klassische Würze mit einer moderaten Stammwürze von 11-12°P (um ein selbst-vergiften mit Alkohol auszuschliessen). Weiterhin würde ich sowas wie die Belle Saison ausschliessen, die ja wohl deutlich mehr als andere vergärt. Und natürlich fremde Organismen... ;)
Wenn ich mich richtig erinnere, mag die (normale) Hefe nur einfach- und zweifach-Zucker. Und wenn die alle weggeknuspert sind, dann müsste es doch für alle Hefen am gleichen Punkt heissen: Teller leer, aufgegessen!
Bei den Menschen gibt es ja auch einige, die grundsätzlich eine Nudel und zwei Erbsen auf dem Teller lassen: "ich bin satt". Kann ich mir so Hefe A vorstellen? Und Hefe B ist wenigstens noch die zwei Erbsen auf. (Und die Belle Saison leckt noch den Teller ab)?
Warum hören manche Hefen früher auf als andere?
Oder habe ich einen Denkfehler?
Christian
meine Tochter hatte eine schwere Nacht, ich musste in's Gästezimmer umziehen, von wo ich das liebliche Blubbern meines Gärfasses gehört habe. Im Halbschlaf habe ich nachgedacht: woher kommen eigentlich die unterschiedlichen Vergärungsgrade bei verschiedenen Hefen?
Ich beschränke meine Überlegungen auf klassische Würze mit einer moderaten Stammwürze von 11-12°P (um ein selbst-vergiften mit Alkohol auszuschliessen). Weiterhin würde ich sowas wie die Belle Saison ausschliessen, die ja wohl deutlich mehr als andere vergärt. Und natürlich fremde Organismen... ;)
Wenn ich mich richtig erinnere, mag die (normale) Hefe nur einfach- und zweifach-Zucker. Und wenn die alle weggeknuspert sind, dann müsste es doch für alle Hefen am gleichen Punkt heissen: Teller leer, aufgegessen!
Bei den Menschen gibt es ja auch einige, die grundsätzlich eine Nudel und zwei Erbsen auf dem Teller lassen: "ich bin satt". Kann ich mir so Hefe A vorstellen? Und Hefe B ist wenigstens noch die zwei Erbsen auf. (Und die Belle Saison leckt noch den Teller ab)?
Warum hören manche Hefen früher auf als andere?
Oder habe ich einen Denkfehler?
Christian
Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Achtung, gefährliches Halbwissen!
Es kommt darauf an, wie viel Maltotriose die Hefe schafft. Manche kann gar nichts damit anfangen (S-33), andere hauen alles weg und wieder andere haben nach der Hälfte keine Lust mehr.
Stefan
Es kommt darauf an, wie viel Maltotriose die Hefe schafft. Manche kann gar nichts damit anfangen (S-33), andere hauen alles weg und wieder andere haben nach der Hälfte keine Lust mehr.
Stefan
Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Ob Maltotriose oder was anderes: was ich mir nicht erklären kann, ist das eine Hefe "nach der Hälfte" aufhört. Einfach so. Die andere Hälfte liegen lässt, obwohl die ganz genauso ist, wie die bereits verspeiste...Boludo hat geschrieben:Es kommt darauf an, wie viel Maltotriose die Hefe schafft. Manche kann gar nichts damit anfangen (S-33), andere hauen alles weg und wieder andere haben nach der Hälfte keine Lust mehr.
Aber da hat bestimmt jemand noch ungefährlicheres Wissen...

Christian
- Ladeberger
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Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
- Flokkulation/Sedimentation ist ein Punkt. Verklumpte Hefe am Boden kann keinen Substrataustausch mehr durchführen, ergo kommt die Gärung trotz vitaler Zellen erstmal zum Erliegen. Beispiel S-04 oder WY1968. Das sind dann die potenziellen Flaschennachgärer, wenn das Sediment beim Abfüllen wieder in Bewegung kommt.
- Nährstoffmangel ist gewiss ein anderer Punkt. Die Stämme haben unterschiedliche Anforderungen, manche sind zickiger als andere und reagieren empfindlicher auf das Nährstoffangebot. Weizenhefe ist so ein Kandidat für mich. Eigentlich sehr hochvergärend (VGs 84% für W68), aber in der Hobbypraxis bleibt das oft irgendwo in den niedrigen 70ern hängen obwohl ewig hefetrüb. Ich denke hierbei besonders an Zink und FAN (besonders bei Weizenbier).
- Auch die Gärungsbedingungen spielen ganz sicher eine Rolle: Belüftung, Temperatur, Vitalität, Anstellrate, Konvektion... manchen Hefen bzw. ihrem optimalen Handling kommen wir da wohl (unbewusst) eher entgegen als anderen. Das hat die Industrie natürlich ganz anders im Griff, da ist man per Du mit der Hefe.
- Auch was die Fähigkeit zur Vergärung mancher Zucker angeht, gibt es Unterschiede. Zwei- und Dreifachzucker können nicht in die Zelle diffundieren, sondern werden aktiv durch die Zellwand transportiert. Wie leistungsfähig dieser Transport ist, hängt von der Genetik des Stamms ab, d.h. der Expression der Gene die für diese Transporter kodieren. Selbst unter den Transportern gibt es bessere und schlechtere. In der Forschung ist momentan die AGT1 Permease ein heißes Thema, die scheint einen großen Teil der Varianz der Maltotriose Verstoffwechselung zu erklären.
Gruß
Andy
- Nährstoffmangel ist gewiss ein anderer Punkt. Die Stämme haben unterschiedliche Anforderungen, manche sind zickiger als andere und reagieren empfindlicher auf das Nährstoffangebot. Weizenhefe ist so ein Kandidat für mich. Eigentlich sehr hochvergärend (VGs 84% für W68), aber in der Hobbypraxis bleibt das oft irgendwo in den niedrigen 70ern hängen obwohl ewig hefetrüb. Ich denke hierbei besonders an Zink und FAN (besonders bei Weizenbier).
- Auch die Gärungsbedingungen spielen ganz sicher eine Rolle: Belüftung, Temperatur, Vitalität, Anstellrate, Konvektion... manchen Hefen bzw. ihrem optimalen Handling kommen wir da wohl (unbewusst) eher entgegen als anderen. Das hat die Industrie natürlich ganz anders im Griff, da ist man per Du mit der Hefe.
- Auch was die Fähigkeit zur Vergärung mancher Zucker angeht, gibt es Unterschiede. Zwei- und Dreifachzucker können nicht in die Zelle diffundieren, sondern werden aktiv durch die Zellwand transportiert. Wie leistungsfähig dieser Transport ist, hängt von der Genetik des Stamms ab, d.h. der Expression der Gene die für diese Transporter kodieren. Selbst unter den Transportern gibt es bessere und schlechtere. In der Forschung ist momentan die AGT1 Permease ein heißes Thema, die scheint einen großen Teil der Varianz der Maltotriose Verstoffwechselung zu erklären.
Gruß
Andy
Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Thema in andere Rubrik verschoben....
Besten Gruß
Hagen
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Taumelkäfer=Bräu - Honi soit qui mal y pense!
Hagen
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Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Bei optimalen Umstaende ist das wohl einer der wichtigsten: Flocculation of brewers' yeast : quantification, modelling and control (PDF).Ladeberger hat geschrieben:- Flokkulation/Sedimentation ist ein Punkt. Verklumpte Hefe am Boden kann keinen Substrataustausch mehr durchführen, ergo kommt die Gärung trotz vitaler Zellen erstmal zum Erliegen. Beispiel S-04 oder WY1968. Das sind dann die potenziellen Flaschennachgärer, wenn das Sediment beim Abfüllen wieder in Bewegung kommt.
Eine Braukollege rührt schon länger seine gärende Biere mit gutem Erfolg, keine Fehlgeschmacke, schnellere Gärung, konsistente Gärung und bei einigen hoch flocculenten Hefen gärt es deutlich tiefer aus. In der Dissertation oben wird gesagt das es (viel) zu wenig Bewegung im Gärfass gibt um flocculierende Hefe in Suspension zu halten, es geht dabei um 40hl Gärfässer. Mit rühren werden einige Probleme gelöst. Ich fühle immer mehr dafür dies auch mal zu versuchen.
Ingo
"Wabi-Sabi" braucht das Bier.
Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Wenn man mit "normalen" Gärfässern arbeitet, ist kräftiges schütteln wohl einfacher und sauberer.
Besten Gruß
Hagen
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Hagen
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Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Oder mache was ... (entschuldige, weiss den Namen nicht mehr) mit der WY1968 gemacht hat, einfach eine Chinapumpe im Jungbier.Hagen hat geschrieben:Wenn man mit "normalen" Gärfässern arbeitet, ist kräftiges schütteln wohl einfacher und sauberer.
Ingo
"Wabi-Sabi" braucht das Bier.
Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Biotechnologen haben im Fermenter immer ein Rührwerk und ich denke in den Brauereien wird es auch bald so gehandhabt....
Hier noch ein paar Information zur Gärungstechnologie Gruß
Lukas
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Lukas
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Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
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Ein Bayer ohne Bier ist ein gefährlich Thier!
https://biergrantler.de
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Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Eigentlich alte Hüte..In der Brauerei Meiningen hat uns die Braumeisterin das Verfahren erklärt und auch den Namen dazu genannt. Hab ich aber vergessen. Die Brauerei, eine ehemals mittelständische Traditionsbrauerei, ist mittlerweile aber insolvent und abgewickelt.
Dort wurden die Gärtanks jedenfalls nicht aktiv über Doppelmantel gekühlt, sondern das Jungbier wurde wärend der HG konstant über Kühler im Kreis gepumpt. Das brachte eine schnellere HG mit höheren Vergärgraden.
Dort wurden die Gärtanks jedenfalls nicht aktiv über Doppelmantel gekühlt, sondern das Jungbier wurde wärend der HG konstant über Kühler im Kreis gepumpt. Das brachte eine schnellere HG mit höheren Vergärgraden.
Held im Schaumgelock
"Fermentation und Zivilisation sind untrennbar verbunden"
(John Ciardi)
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Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Neu ist es sicher nicht, in viele Englische Brauereien wurde das Jungbier auch regelmäßig im Kreis gepumpt. Im Bild bei einem Yorkshire "Square" mit dem "Rouser" in aktion.

Ingo

Ingo
Zuletzt geändert von Seed7 am Montag 28. September 2015, 20:19, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Hi zusammen,
Wenn ich Hefe vermehre, dann mache ich das auch immer auf dem Magnetrührer. Da kann man dann schon mal an einen Punkt kommen, an dem kein Zucker mehr in der Würze vorhanden ist. Hatte ich bei der letzten Vermehrung der WLP-002 beobachtet. Hatte dabei stetig belüftet, ...
Gruß Guido
Wenn ich Hefe vermehre, dann mache ich das auch immer auf dem Magnetrührer. Da kann man dann schon mal an einen Punkt kommen, an dem kein Zucker mehr in der Würze vorhanden ist. Hatte ich bei der letzten Vermehrung der WLP-002 beobachtet. Hatte dabei stetig belüftet, ...
Gruß Guido
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Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Bei Doemens wurde Anfang des Jahres von einer Konvektion im Hobbymaßstab abgeraten. Das beste sei es den Sud völlig ruhig stehen zu lassen, da sonst statt (erwünschter) Ester vermehrt höhere Alkohole gebildet würden, die sehr stabil sind im Bier und in einigen Stilen unerwünscht. Ich hoffe ich gebe Michael Zepf hier aus der Erinnerung heraus richtig wieder. Der Zusammenhang ergibt sich auch aus der schönen Tabelle von BrauFuchs. Vermutlich kommt es - wie so oft - sehr stark auf den Stamm an. Englische Stämme, die jahundertelang in Gärsystemen mit Konvektion (Burton Union, Yorkshire Square, z.T. Double Dropping) selektiert wurden, vertragen hier vielleicht mehr als andere Stämme.

Gruß
Andy
Hm!flying hat geschrieben:Eigentlich alte Hüte..In der Brauerei Meiningen hat uns die Braumeisterin das Verfahren erklärt und auch den Namen dazu genannt. Hab ich aber vergessen. Die Brauerei, eine ehemals mittelständische Traditionsbrauerei, ist mittlerweile aber insolvent und abgewickelt.

Gruß
Andy
Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Spannend, das alles!
Nur zum Verständnis: ich will nicht den Vergärgrad erhöhen, sondern verstehen, warum er unterschiedlich ist.
Wenn's an der Konvektion liegt, dann müsste doch eigentlich ein gerührter Sud (ungeachtet des Geschmackes) mit verschiedenen Hefen gleich hoch vergären (und das höher als ungerührt). Oder es ist wie so oft im Leben: da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle?!?
Christian
Nur zum Verständnis: ich will nicht den Vergärgrad erhöhen, sondern verstehen, warum er unterschiedlich ist.
Wenn's an der Konvektion liegt, dann müsste doch eigentlich ein gerührter Sud (ungeachtet des Geschmackes) mit verschiedenen Hefen gleich hoch vergären (und das höher als ungerührt). Oder es ist wie so oft im Leben: da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle?!?
Christian
Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Nathan Verfahren?flying hat geschrieben:Eigentlich alte Hüte..In der Brauerei Meiningen hat uns die Braumeisterin das Verfahren erklärt und auch den Namen dazu genannt. Hab ich aber vergessen. Die Brauerei, eine ehemals mittelständische Traditionsbrauerei, ist mittlerweile aber insolvent und abgewickelt.
Dort wurden die Gärtanks jedenfalls nicht aktiv über Doppelmantel gekühlt, sondern das Jungbier wurde wärend der HG konstant über Kühler im Kreis gepumpt. Das brachte eine schnellere HG mit höheren Vergärgraden.
Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Lesefutter: Greg Doss - Exploring Attenuation. Sehe dir mindestens Seite 18 an.herbie01 hat geschrieben:Spannend, das alles!
Ingo
"Wabi-Sabi" braucht das Bier.
Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Hallo herbie01,
So ist die Aussage "schlechter Endvergärungsgrad " technolgisch in einem ganz anderem Kontext zu sehen, als die Aussage "schlechter Vergärungsgrad"
Die Festlegung eines gewünschten EVGs[%] ist ein Vorgang, der in der Rezeptgestaltung eine erste Heimat hat. Z.B. so: "ich hätte gerne einen hohen EVG von 83-85 %".
Dann wählt man die Rohstoffe (Wasser, Schüttung, Hefe, ... ) und die dazu passenden Prozessparameter aus(pH, HG:NG, Maischverfahren, Kochung, Gärtemperatur usw.).
Ist die Würze bereitet, nimmt man eine Probe, trägt sie ins "Labor" und bestimmt dort unter optimalen Bedingungen den EVGs. Passt dieser Laborwert zu den Rezepturvorgaben,
hat der H.Braumeister erst mal alles richtig gemacht. Die Würze ist so, wie sie an dieser Stelle sein soll.
Parallel dazu gärt diese beprobte Würze im Tank vor sich hin und baut nach und nach Extrakt ab. Stimmt am Ende der festgelegten (Haupt)Gärdauer der im Labor ermittelte EVGs mit dem VGs im Gärkeller (nahezu)über ein, darf der H.Braumeister mit stolzer Brust die "Endvergärung" dieser Charge verkünden und sich beim Wirt eine Maß Bier kaufen.
Anders sieht das aus, wenn die Gärung bei einem VGs von z.B. 70 % hängen geblieben ist. Hier kann man dann mit Sicherheit behaupten, dass noch 10-15% "vergärbares Potential" in der Würze steckt, welches aber, aus welchen Gründen auch immer, in der Praxis nicht vergoren wird. Das ist der Einstiegspunkt um z.B. die Anstelltechnik, die Vitalität der Hefe, Hefezellzahl, Würzequalität, die Konvektion, die Gärführung, Tankgeometrie usw. zu überprüfen - denn, "irgend wo da" muss der "Hund" ja begraben sein.
Ich versuchs mal allgemein:
Als Anregung gedacht. Erklärung der Fachausdrücke: hier
Gruß
Oli
Vorraussetzung dafür ist, dass Du zunächst den Unterschied zwischen Vergärungsgrad VGs[%] und Endvergärungsgrad EVGs[%] verstehst.herbie01 hat geschrieben:Nur zum Verständnis: ich will nicht den Vergärgrad erhöhen, sondern verstehen, warum er unterschiedlich ist.
So ist die Aussage "schlechter Endvergärungsgrad " technolgisch in einem ganz anderem Kontext zu sehen, als die Aussage "schlechter Vergärungsgrad"
Die Festlegung eines gewünschten EVGs[%] ist ein Vorgang, der in der Rezeptgestaltung eine erste Heimat hat. Z.B. so: "ich hätte gerne einen hohen EVG von 83-85 %".
Dann wählt man die Rohstoffe (Wasser, Schüttung, Hefe, ... ) und die dazu passenden Prozessparameter aus(pH, HG:NG, Maischverfahren, Kochung, Gärtemperatur usw.).
Ist die Würze bereitet, nimmt man eine Probe, trägt sie ins "Labor" und bestimmt dort unter optimalen Bedingungen den EVGs. Passt dieser Laborwert zu den Rezepturvorgaben,
hat der H.Braumeister erst mal alles richtig gemacht. Die Würze ist so, wie sie an dieser Stelle sein soll.
Parallel dazu gärt diese beprobte Würze im Tank vor sich hin und baut nach und nach Extrakt ab. Stimmt am Ende der festgelegten (Haupt)Gärdauer der im Labor ermittelte EVGs mit dem VGs im Gärkeller (nahezu)über ein, darf der H.Braumeister mit stolzer Brust die "Endvergärung" dieser Charge verkünden und sich beim Wirt eine Maß Bier kaufen.
Anders sieht das aus, wenn die Gärung bei einem VGs von z.B. 70 % hängen geblieben ist. Hier kann man dann mit Sicherheit behaupten, dass noch 10-15% "vergärbares Potential" in der Würze steckt, welches aber, aus welchen Gründen auch immer, in der Praxis nicht vergoren wird. Das ist der Einstiegspunkt um z.B. die Anstelltechnik, die Vitalität der Hefe, Hefezellzahl, Würzequalität, die Konvektion, die Gärführung, Tankgeometrie usw. zu überprüfen - denn, "irgend wo da" muss der "Hund" ja begraben sein.
Ich versuchs mal allgemein:
- Erreicht ein gebrautes Rezept den geplanten EVGs[%] nicht, passen die Prozesse nicht zur Rohstoffauswahl
- Erreicht ein VGs[%] den EVGs[%] nicht, passen die Prozesse nicht zur Würze

Als Anregung gedacht. Erklärung der Fachausdrücke: hier
Gruß
Oli
Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Sorry, ich muss mal eben eine Frage zum Ausstossvergärungsgrad und Endvergärungsgrad einschieben.
In der Weihenstephaner Hefebank (http://www.hefebank-weihenstephan.de/staemme.html) ist zum Stamm W168 zu lesen, dass der Ausstossvergärungsgrad bei dieser Hefe häufig 3-4% über dem Endvergärungsgrad liegt.
Kann das sein, oder liegt hier irgendein Fehler im Text vor.
Gruss
Matthias
In der Weihenstephaner Hefebank (http://www.hefebank-weihenstephan.de/staemme.html) ist zum Stamm W168 zu lesen, dass der Ausstossvergärungsgrad bei dieser Hefe häufig 3-4% über dem Endvergärungsgrad liegt.
Kann das sein, oder liegt hier irgendein Fehler im Text vor.
Gruss
Matthias
Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Das ist richtig so für helle Bier, für Dunkle rund 6%, aufgrund der besseren biologischen Stabilität wird aber so nah wie möglich an den EVG gegangen.Tyrion hat geschrieben:Sorry, ich muss mal eben eine Frage zum Ausstossvergärungsgrad und Endvergärungsgrad einschieben.
In der Weihenstephaner Hefebank (http://www.hefebank-weihenstephan.de/staemme.html) ist zum Stamm W168 zu lesen, dass der Ausstossvergärungsgrad bei dieser Hefe häufig 3-4% über dem Endvergärungsgrad liegt.
Kann das sein, oder liegt hier irgendein Fehler im Text vor.
Gruss
Matthias
Gruß
Lukas
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Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
@Oli: Sehe ich das richtig: Der EVG ist ein Prognosewert, der nach Rezept und Prozess erreicht werden sollte, quasi ein Sollwert und der VG ist das, was am Ende tatsächlich bei rumkommt (Istwert)?
Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Hallo Brauknecht,
Für den VG trifft Deine Formulierung ebenfalls zu. Das ist der Wert der die Vorgänge "vor Ort"(Gärkeller) beschreibt. Hat der VG "vor Ort" den im Labor bestimmten EVG erreicht, ist das Bier endvergoren.
Gruß
Oli
Der EVG ist beides. Im Rezept hat er den Status "geplant", mit der hergestellten Betriebswürze im Labor bestimmt, nimmt er den Status "Ist" an. Der Laborwert EVG ist dann genau das was Du beschreibst: ein Sollwert.Brauknecht96 hat geschrieben:@Oli: Sehe ich das richtig: Der EVG ist ein Prognosewert, der nach Rezept und Prozess erreicht werden sollte, quasi ein Sollwert und der VG ist das, was am Ende tatsächlich bei rumkommt (Istwert)?
Für den VG trifft Deine Formulierung ebenfalls zu. Das ist der Wert der die Vorgänge "vor Ort"(Gärkeller) beschreibt. Hat der VG "vor Ort" den im Labor bestimmten EVG erreicht, ist das Bier endvergoren.
Gruß
Oli
Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Das mit den 6% für dunkle Biere ist doch aber das was der AVG unter dem EVG liegt.BrauFuchs hat geschrieben: Das ist richtig so für helle Bier, für Dunkle rund 6%, aufgrund der besseren biologischen Stabilität wird aber so nah wie möglich an den EVG gegangen.
Ich frage mich ja wie, oder ob, es sein kann, dass ein Hefestamm im Gärkeller einen höheren Vergärgrad erreicht, als unter "optimalen" Laborbedingungen (gleiche Würze setze ich mal voraus).
Also im konkreten Fall z.B. die Würze mit extrem viel aktiver Hefe bei 25°C und evtl. noch gerührt, einen EVG von vielleicht 84% erreicht, während die selbe Würze dann im Gärkeller bei 8°C und mit weniger Hefe angestellt, kurz vor Abfüllung einen AVG von 87% aufweist. So zumindest verstehe ich den Text zur W168 auf der Weihenstephaner-Hefebank-Seite.
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Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Tyrion hat geschrieben:Das mit den 6% für dunkle Biere ist doch aber das was der AVG unter dem EVG liegt.
Ich frage mich ja wie, oder ob, es sein kann, dass ein Hefestamm im Gärkeller einen höheren Vergärgrad erreicht, als unter "optimalen" Laborbedingungen (gleiche Würze setze ich mal voraus).
Also im konkreten Fall z.B. die Würze mit extrem viel aktiver Hefe bei 25°C und evtl. noch gerührt, einen EVG von vielleicht 84% erreicht, während die selbe Würze dann im Gärkeller bei 8°C und mit weniger Hefe angestellt, kurz vor Abfüllung einen AVG von 87% aufweist. So zumindest verstehe ich den Text zur W168 auf der Weihenstephaner-Hefebank-Seite.


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Re: warum gibt es unterschiedliche Vergärungsgrade?
Zur Terminoloie:
EV° (Endvergärungsgrad): Prozetualer Anteil an theoretisch verstoffwechselbarem Extrakt (in Bezug auf die Stammwürze)
GV° (Gärkellervergärungsgrad): Prozetualer Anteil an faktisch verstoffwechselten Extrakt, (in Bezug auf die Stammwürze), während der Hauptgärung
AV° (Ausstossvergärungsgrad): Prozentualer Anteil an faktisch verstoffwerselten Extrakt (in Bezug auf die Stammwürze) im fertigem Bier.
Wobei GV° = AV° = EV° sein kann, aber nicht zwigend muss.
1.) Die verschiedenen Stoffe (Kohlenhydrate, Eiweisse, Spurenelemente, usw), in ihren unterschiedlichen Formen (hochmolekular, niedermolekular, usw), sind unterschiedlich gut/schwer zu verstoffwechseln.
2.) Die Hefen tun sich unterschiedlich schwer, die verschiedenen Stoffe, in ihren unterschiedlichen Formen (hochmolekular, niedermolekular, usw), zu verstoffwechseln. => aktivität der Hefe, Hefestamm, weitere Einflüsse, wie zB pH-Empfindlichkeit, Druck-Empfindlichkeit, CO2-Empfindlichkeit, Alkohol-Empfindlichkeit, Temperatur-Empfindlichkeit (Schwankungen), usw, die die verschiedenen Hefen unterschiedlich stark beeinflussen.
3.) Innerhalb jeder Hefezelle finden unzählige Prozesse gleichzeitig statt. "Eine gut geölte Maschinerie" => Störungen und Veränderung der direkten Umgebung der Hefezelle können diese Prozessläufe durcheinander bringen.
4.) Die verschiedenen Hefen können sich unterschiedlich gut an die verschiedenen Umgebungen anpassen, bzw sich unterschiedlich schnell auf neue Situationen einstellen.
EV° (Endvergärungsgrad): Prozetualer Anteil an theoretisch verstoffwechselbarem Extrakt (in Bezug auf die Stammwürze)
GV° (Gärkellervergärungsgrad): Prozetualer Anteil an faktisch verstoffwechselten Extrakt, (in Bezug auf die Stammwürze), während der Hauptgärung
AV° (Ausstossvergärungsgrad): Prozentualer Anteil an faktisch verstoffwerselten Extrakt (in Bezug auf die Stammwürze) im fertigem Bier.
Wobei GV° = AV° = EV° sein kann, aber nicht zwigend muss.
1.) Die verschiedenen Stoffe (Kohlenhydrate, Eiweisse, Spurenelemente, usw), in ihren unterschiedlichen Formen (hochmolekular, niedermolekular, usw), sind unterschiedlich gut/schwer zu verstoffwechseln.
2.) Die Hefen tun sich unterschiedlich schwer, die verschiedenen Stoffe, in ihren unterschiedlichen Formen (hochmolekular, niedermolekular, usw), zu verstoffwechseln. => aktivität der Hefe, Hefestamm, weitere Einflüsse, wie zB pH-Empfindlichkeit, Druck-Empfindlichkeit, CO2-Empfindlichkeit, Alkohol-Empfindlichkeit, Temperatur-Empfindlichkeit (Schwankungen), usw, die die verschiedenen Hefen unterschiedlich stark beeinflussen.
3.) Innerhalb jeder Hefezelle finden unzählige Prozesse gleichzeitig statt. "Eine gut geölte Maschinerie" => Störungen und Veränderung der direkten Umgebung der Hefezelle können diese Prozessläufe durcheinander bringen.
4.) Die verschiedenen Hefen können sich unterschiedlich gut an die verschiedenen Umgebungen anpassen, bzw sich unterschiedlich schnell auf neue Situationen einstellen.