Frage zum unvergorenen vergärbarer Restextrakt

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Nansen
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Frage zum unvergorenen vergärbarer Restextrakt

#1

Beitrag von Nansen »

Im Auswertungsthread zum Doemens-Seminar viewtopic.php?f=9&t=973&p=11828&hilit=d ... nar#p11828 fiel dieser Satz:"Er sagt, unvergorener, vergärbarer Restextrakt ist Pfui."
djmoehre hat geschrieben: ...
Im Prinzip ja, jedoch muss man sich natürlich fragen, was im schlimmsten Fall passiert?
Es wird ganz sicher trotzdem gären und ein Bier werden. Als worst-case Szenario stelle ich mir eine Hauptgärung vor, die es nicht auf den EVG der Schnellvergärungsprobe schafft. Laut Michael Zepf MUSS das aber so sein. Er sagt, unvergorener, vergärbarer Restextrakt ist Pfui.
Das beschäftigt mich ab und zu. Ob vergärbarer Restextrakt übrig bleibt, ist doch auch eine Frage der Hefewahl. Oder?

Wenn ich z.B. Die Windsor, statt der Notti auf ein 14-Plato-Ale ansetze, kommen doch unterschiedliche Alkohol Anteile raus.
Im Windsorsud müsste also vergärbarer Restextrakt vorliegen. Also bääh!
Oder ist das kein vergärbarer Restextrakt, weil die Hefe gar nicht weiter gären könnte?

Grüße,
Marco

...der seit 2 Wochen beinah täglich über die nicht endende langsame Gärung Russian Imperial Stout staunt. :)
Du kannst es Dir vorstellen. Also kannst Du es auch brauen.
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olibaer
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Re: Frage zum unvergorenen vergärbarer Restextrakt

#2

Beitrag von olibaer »

Hallo Marco,

Basiswissen rund um das Thema Extrakte und Vergärungsgrade kannst Du Dir hier anlesen.

Die Extraktdifferenz wird durch den Vergleich der Spindelwerte im Labor(Schnellgärprobe) und den Spindelwerten in der Produktion ermittelt. "Endvergoren" beschreibt einen Zustand, der keine Extraktdifferenz(oder nur eine sehr sehr geringe) zwischen diesen beiden Werten mehr erkennen lässt.

Im Fall Extraktdifferenz =~ 0 %mas hat die Hefe in der Produktion das vergoren, was unter optimalen Umständen(im Labor) für die Hefe vergärbar war. Betonung liegt hier auf die Hefe. In der Produktion und im Labor müssen identische Hefen(Hefestämme) zum Einsatz kommmen, sonst wird das nichts mit dem Vergleich(Äpfel und Birnen).

Eine unter diesen Umständen ermittelte Extraktdifferenz wird als "noch vergärbarer Restextrakt" oder einfach nur als "Restextrakt" beschrieben. Es ist die Menge an Extrakt, die die Hefe in der Produktion hätte noch vergären können oder besser, hätte noch vergären müssen. Wir Hobbybrauer kämpfen mit solchen Restextrakten immer dann, wenn es an die Berechnung der Speise geht. Über längere Zeiträume wird auch diese Restextraktmenge inklusive dem zugesetzten Zucker(oder Speise) vergoren, was am Ende zu einer Überkarbonisierung führt.

Dieser Restextrakt ist es auch den Michael Zepf mit Pfui betitelt.


Ein weitere Definition des Restextraktes ist nötig, wenn für identische Würzen 2 unterschiedliche Hefestämme zu Einsatz kommen.
Nehmen wir an es wurden 50 L Kaltwürze mit 12 °P hergestellt. Diese wird zu je 25L aufgeteilt und die eine Teilmenge wird mit Hefestamm A und die andere Teilmenge wird mit Hefestamm B vergoren. Für beiden Varianten wird mit dem jeweiligen Hefestamm der EVG(Schnellgärprobe, Endvergärungsgrad) im Labor ermittelt. Nach der Hauptgärung werden die Werte verglichen:

HEFESTAMM A:
Spindelwert Schnellgärprobe : 2,0 %mas
Spindelwert Produktion : 2,0 %mas
Extraktdifferenz = 0 %mas -> endvergoren

HEFESTAMM B:
Spindelwert Schnellgärprobe : 3,0 %mas
Spindelwert Produktion : 3,0 %mas
Extraktdifferenz = 0 %mas -> endvergoren

A und B für sich betrachtet sind endvergoren. Betrachtet man aber den Spindelwert der Schnellgärprobe von B, hätte A da noch 1 %mas vergären können. Aus Sicht von A ist also in B noch vergärbarer Restextrakt vorhanden. Diese Menge an Restextrakt ist nicht Pfui, wenn der H.Braumeister das genau so mit dem Einsatz von Hefestamm B erreichen wollte. Möchte H.Braumeister mit B erreichen was auch A kann(aus Sicht der Extrakverwertung), dann muss er die Würze so herstellen, dass B eine Chance dazu hat :Wink

Gruß
Oli

EDITH sagt: hübsch gemacht
Gruss
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Nansen
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Re: Frage zum unvergorenen vergärbarer Restextrakt

#3

Beitrag von Nansen »

Wow Oli!
Mein Denkfehler war also, dass ich das Pfui als Geschmacksfehler verstanden habe.
Du kannst es Dir vorstellen. Also kannst Du es auch brauen.
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olibaer
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Re: Frage zum unvergorenen vergärbarer Restextrakt

#4

Beitrag von olibaer »

Nansen hat geschrieben:Wow Oli!
Mein Denkfehler war also, dass ich das Pfui als Geschmacksfehler verstanden habe.
Pfui steht wohl in erster Linie für "das gehört da auf keinen Fall hin". Ungewollter vergärbarer Restextrakt kann in vielen Gewändern daher kommen - auch als Geschmacksfehler(dick, mastig, grün, nach Würze schmeckend,...) - keine Frage.


Gruß
Oli
Gruss
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Ulrich
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Re: Frage zum unvergorenen vergärbarer Restextrakt

#5

Beitrag von Ulrich »

Unvergorener Restextrakt kann gewollt sein (geschmacklich von Vorteil sein), kann aber auch ungewollt sein (ungewollte Süße). Tendenziell ist die Maltotriose von der Hefe schwieriger zu vergären, also tendenziell der Zucker, der übrig bleibt , wenn man dicht am EVG herankommt. Maltose und Maltotriose sind viel süßer als Dextrine. Es entspricht der Praxis einiger Biere, nicht endvergären. Unvergorene Bier haben aber Nachteile:
- mikrobiologische anfälliger, da niedermolekulare Kohlehydrate von so gut wie jedem Mikroorganismus verstoffwechselt werden kann und tendentiell der pH höher ist.
- bei Flaschengärung ist es schwierig die Speise richtig anzupassen
- ungewollte Süße
Usw
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