im thread Nachgärung nach Cold Crash unberechenbar kam es teilweise zu kontrovesen Diskussionen bzgl. der CO2-Gehalte, die sich im Themenumfang einstellen bzw. wie sie im Rahmen einer Speiseberechnung zu berücksichtigen sind.
Im Konsens getrennt hat man sich mit der Aussage, dass man das ohnehin nicht zeitnah und zuverlässig (nach)messen könnte.
Die Situation hat sich ein wenig geändert und zumindest für ein Beispiel konnte ich verlässliche Ist-Daten ranschaffen, die ich hier kurz vorstellen möchte:
Es handelt sich um ein obergäriges Bier, dass in einem ZKG vergoren wird.
Im Verlauf der Hauptgärung wird mit erreichen eines gewissen Vergärungsgrades "gespundet", respektive Druck aufgebaut, um schon während der Warmphase einen Ziel-CO2-Gehalt einzustellen. Mit erreichen des Endvergärungsgrades und mit einem kleinen zeitlichen Versatz, wird unter Druck ein ColdCrash eingeleitet, der die endvergorene Gärcharge innerhalb von 12h von 20°C auf 3°C abkühlt.
Manipulationen am "Spundapparat" finden während dieser Zeit nicht statt und man darf davon ausgehen, dass das gesamte System spätestens mit erreichen des EVG unter CO2-Atmosphäre steht.
Den Betrachtungszeitraum habe ich als Gärverlauf mit Druck und Temperatur in einem Diagramm aufgetragen und an den wichtigen Stellen etwas Prosa eingefügt.
Bild 01: Gärverlauf Ein paar Worte zum Gärtank, zur Tankgeometrie und zum Füllstand während der Gärung:
- Bauart: ZKG
- Überdruck max.: 3 bar
- Bruttovolumen: 670 Liter
- Füllvolumen: 526 Liter (= 78,5%)
- Gasraum: 144 Liter (= 21,5%)
- Verhältnis Biervolumen zu Gasvolumen: 1 : 0,27
- Gasaustauschfläche: 0,9 m2
Ein paar Worte zum Produkt im ZKG:
- Bierart: obergärig
- Stammwürze: 12,6 °P
- EsEND: 2,2 [%mas]
- VGsEND: 82,5 [%]
- Ziel CO2-Gehalt: 5,5 [g/l]
Im Szenario Cold Crash sind hinsichtlich CO2-Gehalt zwei Zeitpunkte besonders interessant:
- 1. Der CO2-Gehalt kurz vor dem Cold-Crash
- 2. Der CO2-Gehalt nach dem Cold-Crash und nach einer gewissen Verweildauer bei tiefen Temperaturen, z.B. 3 Tage
Für die beiden kritischen Zeitpunkte oben habe ich für 1. gerechnet(Soll) und für 2. gerechnet(Soll) und gemessen(Ist).
Für die CO2-Messung kam ein hochwertiges CO2-Messgerät mit aktueller Werkskalibrierung zum Einsatz.
Die Berechnungen für den 1.Zeitpunkt:
Das Bier ist endvergoren, es wurde bei einem VGs von ~60% auf 2,2 bar gespundet und es hat eine Temperatur von 20°C. Man darf für den geschlossen ZKG annehmen, dass sich im Gasraum ausschliesslich CO2 befindet. Die Situation berechnet im Bild.
Bild 02: ZKG kurz vor dem Cold-Crash
Viele Zahlen ich weiß, bitte nicht verwirren lassen. Eine Begleiterscheinung für diejenigen, die etwas tiefer einsteigen möchten.
Die entscheidende Zahl steht in I13. Berechnet hat sich im Gärverlauf und bis kurz vor dem Cold Crash ein CO2-Gehalt von 5,26 g/l eingestellt.
Mit diesen ~ 5,3 g/l CO2 im Bauch, geht es in die zweite Phase, den Cold Crash.
Innerhalb von 12h wird das Bier von 20°C auf 3°C abgekühlt und verweilt im Anschluß über drei Tage bei dieser Temperatur.
Der Druck im ZKG ist begleitend zur Abkühlung von 2,2 bar auf 1,4 bar gesunken, ohne dass jemand am "Spundapparat" manipuliert hätte.
Nach drei Tagen in der Kaltphase liest man am ZKG einen Druck von 1,4 bar ab und eine Temperatur von 3°C. Das Rechenwerk dazu schaut so aus:
Bild 03: Nach dem Cold Crash und nach einer Verweildauer von 3-Tagen bei 3°C und 1,4 bar Tippt man die Eckdaten aus Bild 03 in einen der gängigen CO2-Rechner ein(1,4 bar; 3°C), würde man einen CO2-Gehalt von 6,84 g/l im Bier erwarten(I13). Eine Messung im Ist und nach 3-Tagen Cold Crash, zeichnet ein anderes Bild:
Ist-CO2-Gehalt:5,6 g/l
Ganz offensichtlich passen weder die Annahmen zur Diffusion noch die Annahmen aus einer "Spundtabelle" zum Ist-/Messwert.
Der gemessene Ist-Wert verhagelt sämtliche theoretischen Ansätze in Gänze - zumindest für dieses Beispiel.
Erfreulich aber, dass die Auswirkungen eines Cold Crash auf den CO2-Gehalt selbst in einem geschlossenen System, unter Druck und ohne CO2-Verlust, gering sind( + 0,3 g/l).
Für die tägliche Praxis und für offene/drucklose Systeme darf man wahrscheinlich noch ein schlankeres + annehmen. Einer "Speiseberechnung" nach gewohnten Maßstäben steht im Umfeld Cold Crash nichts im Weg - so zumindest meine Sicht auf die Dinge.
Anmerkung:
Wer seine Biere in diesem Umfeld nicht vollständig endvergoren hat oder keine genaue Kenntnis darüber hat, wo er in der Vergärung gerade steht, der kegelt den Ball in ein Spielfeld, mit dem Cold Crash in seiner Wirkung nichts mehr zu tun hat.